Warum alles so ist, wie es ist

Berlin, 2009, Nacht, erste Szene, irgendwo an einem der Tische und Tresen in Friedrichshain: ein Gespräch wie tausend andere, über die Zukunft, die Angst, die Ziele und was man den ganzen Tag so macht

„Hi! Wie geht’s?“

„Gut.“

„…“

„Und selbst?“

„Kann nicht klagen. War heut Sport machen.“

„So? Was machste denn so für Sport?“

„Na ja. Fitness Center halt.“

„Ach so.“

„…“

„Also ich kletter ja. So Freeclimbing und so.“

„Ich bin mal in sechs Tagen mit dem Fahrrad von Hamburg bis an die südlichste Spitze Dänemarks gefahren!“

„Echt? Cool. Mit Freunden?“

„Allein.“

„Ach so.“

„Und wie läuft das Studium so?“

„Hab abgebrochen.“

„Was?“

„Ja, hatte keine Lust mehr.“

„Und deine Zukunft?“

„Schreiben kann ich auch so.“

„Aber du brauchst doch einen Abschluss!“

„Wer sagt das?“

„Sei nicht kindisch.“

„Hast ja Recht. Aber ich hab ja noch meine Band.“

„Aha.“

„Ja, wir spielen nächsten Monat in den USA.“

„In den USA also. Und wer zahlt euch das?“

„Müssen wir aus eigener Tasche zahlen.“

„Wie jetzt?“

„Na ja, wir wurden halt eingeladen. Aber die Organisatoren haben selber kein Geld.“

„Aber doch wenigstens fürs Hotel?“

„Nein.“

„…“

„Aber das macht nichts. Es wird wie so eine Art Urlaub.“

„Und dann?“

„Werd ich schon sehen.“

„Okay.“

„Ja, und du? Was macht dein Studium?“

„Läuft ganz gut.“

„Keine Depressionen mehr?“

„Doch.“

„…“

„Aber nicht so schlimm.“

„Und was willst du danach anfangen?“

„Ich will in den Journalismus.“

„Auch keine leichte Branche.“

„Ich weiß. Deswegen arbeite ich jetzt schon daran.“

„Woran?“

„Na, am Erfolg.“

„Und was machste dann jetzt so?“

„Schreib unentgeltlich für so’n paar Magazine und mache Praktika. Hab außerdem an ‚nem Schreibwettbewerb teilgenommen.“

„Und?“

„Gewonnen.“

„Toll! Was hast bekommen? Ein Stipendium?“

„Ein Honorar.“

„Sonst nichts?“

„Nein.“

„Okay.“

„Und was machst du jetzt den ganzen Tag so?“

„Na ja. Schreiben halt. Und Musik spielen. Ich denke viel nach.“

„Worüber denn?“

„Warum alles so ist, wie es ist.“

„Wie ist es denn?“

„Na…sinnlos halt!“

„Hast du jetzt die Depressionen oder was?“

„Quatsch! Aber es ist doch so!“

„Was ist überhaupt schon ‚sinnvoll‘. Doofes Wort.“

„Dein Studium ist es vielleicht.“

„Du weißt genau, dass ich es eben deswegen hasse, weil es so sinnlos ist.“

„Ich dachte nur. Immerhin hast du ja jetzt ein Ziel.“

„Reine Überbewertung.“

„Manchmal hab ich Angst.“

„Ich auch.“

„…“

„Wovor denn eigentlich?“

„Weiß nicht. Du?“

„Wird wohl die Ungewissheit sein.“

„Aber wir wissen doch, was wir wollen.“

„Klar. Aber das bedeutet heutzutage nichts mehr.“

DANIELA SALETH