Bock abgeschossen

Der 1. FC Köln zerfällt beim biederen HSV nach der Pause in alle Einzelteile. Abstieg rechnerisch noch nicht sicher

HAMBURG taz ■ Das Schönste an einem Frühlings-Samstagnachmittag im Hamburger Volksparkstadion ist die letzte Viertelstunde. Dann scheint die Vorabendsonne genau auf die Pressetribüne. Man kann die Augen zumachen, sich sonnen und so tun, als gebe es all die Stockfehler, Unsortiertheiten und Fehler, die sich dort unten auf dem löchrigen HSV-Rasen 75 Minuten lang abgespielt hatten, nicht. Ab und zu fällt ein Tor, dann muss man die Augen kurz öffnen, notiert Minute und Torschützen und kann dann weiter genießen. Wer sich stattdessen das Spiel weiter anschaute, blieb unfroh. Die Kölner sowieso.

Auch wenn der Hamburger SV den 1.FC Köln mit 4:2 geschlagen hat, könnte es einem um die Hamburgische Spielkultur schon mulmig sein, wenn die Deutsche Presseagentur recht hätte: Sie schwärmte gestern in ihrem Spielbericht von der „besten Rückrundenleistung“ des HSV. Und Trainer Klaus Toppmöller hat dem nicht einmal widersprochen. Stattdessen beschwerte er sich lieber, dass seine Arbeit und die seiner Mannschaft in der Öffentlichkeit nicht genug gewürdigt werde.

Also würdigen wir zum Beispiel die Abwehrarbeit des HSV beim zwischenzeitlichen 1:1-Ausgleich des 1. FC Köln durch den erneut quirligen Lukas Podolski. Verteidiger Björn Schlicke gab dem FC-Angreifer ein bisschen Geleitschutz, der bedankte sich für die Freiheit und schob ein. Und wenn ansonsten die Harmlosigkeit an diesem Nachmittag nicht auf den Namen 1. FC Köln gehört hätte, dann wäre wohl gegen den Tabellenletzten kein Sieg heraus gesprungen.

Beide Teams zeigten am Samstag durchaus ihre Gemeinsamkeiten auf: Das Problem sowohl in Hamburg als auch in Köln ist die Abwehr. Köln besitzt dazu – abgesehen von Podolski – auch keinen Vollstrecker. Ein halbes Dutzend Kölner Chancen in der ersten Hälfte brachten nur das eine Tor ihres jungen Mittelstürmers zusammen. Die Analyse von Köln-Trainer Marcel Koller bewegte sich daher im üblichen Rahmen: „Wir haben eine gute erste Halbzeit gezeigt, aber...“, der Rest ist bekannt.

Dafür fühlten sich die Hamburger in der zweiten Hälfte zum Toreschießen genötigt, als die Kölner Abwehr komplett in ihre Einzelteile zerfallen war. Die Defensivriege von Sinkala bis Sinkiewicz kann sich jede Angriffsreihe der Republik als Gegenspieler nur wünschen. Dass Barbarez, Mahdavikia und Co kein fünftes oder sechstes Tor nachgelegt haben, zu denen die Kölner Deckung sie wärmstens eingeladen hatte, kann man den Angreifern des HSV noch am ehesten ankreiden. So wurde die Tagesparole der Hamburger Morgenpost: „Schießt heute den Bock ab“ von den HSV-Stürmern zwar nur halb erfüllt. Um den Abstieg des FC so gut wie perfekt zu machen, reicht es allerdings dicke. PETER AHRENS