Unternehmerin bleibt für Mittelstand sitzen

Dagmar Sall kämpft für die Rechte des Mittelstandes. Einen Monat sitzt die Internet-Designerin nun schon aus Protest vor der Duisburger Volksbank rum. Am Freitag überreichte sie mit ihren Leidensgenossen in Düsseldorf eine Resolution

DÜSSELDORF taz ■ Dagmar Sall sitzt ihren Ärger aus. Seit einem Monat hockt die Unternehmerin mehrere Stunden täglich vor der Duisburger Volksbank und demonstriert für den Mittelstand. Um ihren Hals baumelt eine Papptafel mit Forderungen, aus ihrem Mund stolpert die Wut in Sätzen: „Der Umgang mit den mittelständischen Unternehmen ist eine Katastrophe“, zürnt Sall. Viele Firmen hätten die Krise nicht überlebt. Ihr eigene Insolvenz hat Sall daher schon mal für das Jahr 2014 anberaumt.

Ein besonders spitzer Dorn im Auge der 44-Jährigen sind die Banker. „Die“, findet Sall, „beraten die kleinen Unternehmen falsch.“ Existenzgründer würden nicht informiert, welche Fördertöpfe ihnen wirklich zur Verfügung stehen und erhielten letztlich Darlehen zu schlechten Konditionen. Damit fange die Misere dann an, sagt Sall. Und von Konzepten wie „Basel 2“ will sie erst gar nichts wissen. Das diffuse Reform-Papier hat die Bank-Kunde-Beziehung neu definiert. Soll heißen: Der Kunde wird vor Gewährung eines Kredits einem bankinternen Rating unterzogen. Für kleine Unternehmen mit ungünstiger Bonität kann es so zu einer Verteuerung der Kreditkonditionen kommen. Sall findet das undurchsichtig. „Wenn mich eine Bank beurteilt“, sagt sie, „dann will ich auch wissen, wonach sie das tut.“ Aber man erfahre ja gar nicht, was „Basel 2“ überhaupt beinhalte.

Ihren restlichen Unmut stützt die Geschäftsfrau auf Zahlen: Sall weiß um Tausende Insolvenzen, in die mittelständische Unternehmen im Jahr 2003 getrieben wurden – „durch Fehlberatung“. Darunter befinden sich auch etliche Kunden ihrer eigenen Firma. Anfang des Monats gründete Sall deshalb die Initiative „Aufbruch Mittelstand“, mit der sie am Freitag in Düsseldorf zur Demonstration aufmarschierte. An der Staatskanzlei überreichten die Protestler eine Resolution. Der Sinn für Aktionismus scheint Sall von ihrer Zeit als Juso-Aktive erhalten geblieben zu sein. Die Freude an der Politik aber hat sie längst verloren. Sie zweifelt, ob die Resolution vor der Staatskanzlei auf fruchtbaren Boden fällt: „Ich glaube nicht mehr an die Politik“, sagt Sall. Zwar sei ihre Forderung nach mehr Engagement für den Mittelstand umsetzbar. „Aber“, klagt sie, „Politiker brauchen immer so lange bis was passiert.“

Die Politiker regen sich also nicht. In den eigenen Reihen sei die Resonanz hingegen gut, jubiliert Sall. Auch habe sie Unterstützer gefunden wie beispielsweise den Schriftsteller Günter Wallraff. Den ewig Unangenehmen in den eigenen Reihen zu wissen, fanden die Mitstreiter allerdings gar nicht dufte. Der Internet-Designerin sind die Reaktionen jedoch egal. Sie macht weiter – und bleibt auch weiter vor der Bank sitzen.

BORIS R. ROSENKRANZ