Im Teufelskreis der Ausbildungsmisere

Rund 8 Prozent der Kölner Jugendlichen sind arbeitslos, die meisten leben in sozial benachteiligten Stadtvierteln. Hauptgrund für die Misere sei deren schlechte Bildung, urteilt die Verwaltung in ihrem aktuellen Bericht, der vor allem die eigene Arbeit lobt

Von Susanne Gannott

Wer in Köln eine Ausbildung machen will, darf in Punkto Berufswahl nicht gerade wählerisch sein. Denn die Betriebe bilden immer weniger aus. Im Ausbildungsjahr 2002/2003 waren bei der Kölner Agentur für Arbeit gerade 6.101 Ausbildungsstellen gemeldet, das sind 16 Prozent weniger als im Vorjahr. Um diese Lehrstellen bewarben sich 5.243 beim Arbeitsamt gemeldete Jugendliche – auf einen Bewerber kamen also statistisch nur 1,2 Lehrstellen. „Damit wird zwangsläufig eine neigungsgeleitete Auswahl von möglichen Ausbildungsplätzen erschwert“, bilanziert nüchtern der aktuelle Bericht des städtischen Amts für Statistik zur Entwicklung der Jugendarbeitslosigkeit, der heute im Wirtschaftsausschuss des Stadtrats vorgestellt wird.

Positiv bewertet der Bericht, dass die Arbeitslosenquote von „lediglich“ 7,9 Prozent (4.280 Personen) bei den Unter-25-Jährigen zum Jahresende 2003 deutlich unter der allgemeinen Arbeitslosenquote von 13,1 Prozent (60.293 Personen) lag. Auffallend ist allerdings, dass Jugendarbeitslosigkeit offensichtlich eng verbunden ist mit der sozialen und ethnischen Herkunft: In „strukturstarken“ Stadtteilen wie Junkersdorf, Hahnwald, Rodenkirchen oder Lindenthal ist die Arbeitslosenquote von Jugendlichen durchweg niedrig (1,8 bis 3,6 Prozent). Im krassen Gegensatz dazu stehen die „armen“ Stadtviertel wie Elsdorf (16,9 Prozent), Mülheim (14,1), Ostheim (14,3), Buchforst und Kalk (12,8), Bilderstöckchen (13,2) und Chorweiler (12,6). Besonders stark betroffen sind auch MigrantInnen: Sie machen 30 Prozent der arbeitslosen Jugendlichen aus.

Auch die Verwaltung kommt daher zu dem Schluss, dass „die Beteiligung von ausländischen Jugendlichen am Arbeitsmarkt verbessert“ werden muss. Sie erreichten selten höhere Bildungsabschlüsse und absolvierten auch seltener eine Lehre. Überhaupt sei die „unterdurchschnittliche schulische Ausbildung und mangelnde berufliche Qualifikation“ neben der allgemein ungünstigen Konjunktur die Hauptursache für Jugendarbeitslosigkeit.

Trotz all dem kann die Verwaltung ihren Zahlen durchaus positive Aspekte abgewinnen. Vor allem die Tatsache, dass Jugendarbeitslosigkeit unter der allgemeinen Arbeitslosigkeit liegt, wird zum Anlass genommen, die eigene Arbeit – etwa der „Jobbörse Junges Köln“ oder des Programms „Sprungbrett“– zu loben.

So sei es vor allem die „Vielzahl von innovativen Integrationsmaßnahmen für arbeitslose Jugendliche“ der Kölner Agentur für Arbeit und des Sozialamts, die dafür gesorgt habe, dass die Zahl der jungen Arbeitslosen von 1997 bis heute „um 30 Prozent zurückgegangen“ sei, erklärt die Verwaltung. Das Arbeitsamt habe zum Beispiel von Oktober 2002 bis September 2003 rund 2.300 Jugendliche in berufsvorbereitende Maßnahmen geschickt, für 464 eine außerbetriebliche Ausbildung organisiert und 706 mit ausbildungsbegleitenden Hilfen davor bewahrt, ihren Job hinzuschmeißen. Zudem hätten Arbeits- und Sozialamt mit der gemeinsam betriebenen „Jobbörse Junges Köln“ von 5.516 gemeldeten jugendlichen Arbeitslosen im selben Zeitraum 3.723 den „Schritt in den Arbeitsmarkt ermöglicht bzw. Stellenangebote unterbreitet oder Selbsthilfeangebote vermittelt“.

Diese positive Bilanz der Arbeit der Jobbörse erweist sich bei genauerer Betrachtung der Zahlen allerdings als fragwürdig. So wurden lediglich 666 der angeblich 3.723 vermittelten Personen tatsächlich im ersten Arbeitsmarkt untergebracht, knapp 700 bekamen eine Qualifizierung, 120 eine Ausbildung vermittelt. Dagegen haben 1.693 Jugendliche nach einem Arbeitsangebot ihren Kontakt zur Jobbörse abgebrochen.

Für Thomas Münch, Geschäftsführer des Kölner Arbeitslosenzentrums (KALZ), zeigt dies, dass das Jobbörsen-System zur Bekämpfung von Arbeitslosigkeit völlig unzureichend, wenn nicht sogar „kontraproduktiv“ ist. Weil die Jugendlichen nur Geld bekämen, wenn sie die angebotenen Maßnahmen – seien sie auch noch so fragwürdig – mitmachten, würden viele aus dem Blickfeld des Hilfesystems und aus der Statistik „verschwinden“. „Was die dann machen, ob sie auf den Strich gehen oder wovon sie sonst leben – wir wissen es einfach nicht“, konstatiert Münch.

Tatsächlich steht auch im Fazit des Berichts, dass man über die Tätigkeit von rund 4.800 jungen KölnerInnen „keine schlüssigen Informationen“ habe. Obwohl dies immerhin 5 Prozent der 15- bis 24-Jährigen sind, bilanziert der Bericht dann weiter, dass es in Köln keine „erhebliche Dunkelziffer bezüglich der bildungs- und/oder berufsbezogenen Integration und Beteiligung junger Menschen“ gebe. Es ist nicht zuletzt diese doch etwas überraschende Schlussfolgerung, die den KALZ-Geschäftsführer dazu veranlasst, den Bericht der Verwaltung insgesamt als „Gefälligkeitsgutachten“ in eigener Sache zu bezeichnen.