Der Blick aus der Kurve

Die Basis von „Elf Freunde“, ist der Fanblock, das Magazin glaubt an das Gute im Fußball und hebt sich so wohltuend von Blättern wie „Kicker“ oder „Sport Bild“ ab – sogar Gewinn macht es damit

VON FRANK KETTERER

An Heft Nummer eins kann sich Philipp Köster noch gut erinnern, vor allem daran, wie er es verkauft hat. Von Bonn nach Berlin zum Pokalfinale ist er damals gereist, im Gepäck 200 druckfrische Exemplare der 38 Seiten starken Erstausgabe. Dann hat sich Chefredakteur Köster vors Olympiastadion gestellt, hat seine Sporttasche geöffnet und versucht, möglichst viele seiner Elf Freunde unters Fußballvolk zu bringen.

Am Abend war Kösters Bilanz ähnlich desaströs wie die von Werder Bremen, das das Pokalfinale gegen die Bayern mit 0:3 verloren hatte: Ganze acht Hefte waren verkauft, „die Hälfte davon unter Preis“, sagt Köster. „Das war so frustrierend. Zumal ich den Rest der Hefte ja wieder nach Hause schleppen musste.“

Im Vorschulalter

Wenn Köster die Geschichte heute erzählt, grinst er dabei – und das hat mehrere Gründe. Erstens: Heft Nummer eins gilt mittlerweile als Sammlerstück und wurde bei E-Bay kürzlich für 50 Euro ersteigert. Zweitens: Der Chefredakteur muss die Hefte nicht mehr eigenhändig vorm Stadion verkaufen. Drittens: Elf Freunde, das Magazin für Fußballkultur, feiert am Dienstag seinen vierten Geburtstag. Deshalb Frage an den Chefredakteur: Ist man als Fußballmagazin mit vier Jahren eigentlich schon erwachsen? Antwort: „Nein, bloß nicht. Wir werden gerade eingeschult.“ Dann grinst Philipp Köster wieder.

Also mal so gesagt: Für einen Vierjährigen, der gerade eingeschult wird, hat sich Elf Freunde prächtig entwickelt, sogar in Zahlen ist das ablesbar: Die Auflage ist mittlerweile auf 50.000 Hefte geklettert, von denen monatlich die Hälfte verkauft wird, 7.500 davon im Abo, der Rest bundesweit am Kiosk. Das ist beachtlich für ein Magazin, das mit einer Auflage von 2.500 begonnen hat und vor dem Berliner Olympiastadion; andererseits ist Masse kaum irgendwo weniger gleichzusetzen mit Klasse als im Journalismus. Aber auch in diesem Punkt braucht sich das sechsköpfige Redaktionsteam, das seinen Sitz nur einen Freistoß entfernt von der SPD-Zentrale in Berlin hat, nicht zu sorgen. Die Reportagen sind durchweg lesenswert, die Interviews meist informativ, die Kolumnen bisweilen bereits Kult, die Porträts fast immer nahe dran, ohne all zu kumpelig zu sein. „Wir haben mittlerweile ein ganz passables Niveau erreicht“, findet Köster. Das Beste aber ist ohnehin: Von Ausrichtung und Machart her haben die Elf Freunde keine Konkurrenz zu fürchten. Kicker und Sportbild jedenfalls bedienen eine gänzlich andere Klientel.

„Wir pflegen den Blick aus der Kurve“, sagt Köster und ist gern bereit, das näher zu erklären: „Wir fordern Augenhöhe von Redaktion und Leser ein, wobei die gemeinsame Basis der Fanblock ist.“ Köster sagt auch: „Wir wollen gar nicht unbedingt den unabhängigen Fußball-Journalistenblick“, entsprechend fehlen unter den rund 30 über die Republik verstreuten Mitarbeitern die Branchengrößen nahezu gänzlich. Den Texten merkt man das an, was durchaus gewollt ist: Das ganze Heft wirkt ungewöhnlich ursprünglich, liebevoll gemacht und weitaus engagierter als das, was man sonst über Fußball zu lesen bekommt. „Unser Magazin ist der zu Papier gebrachte Glaube an das Gute im Fußball“, sagt Köster dazu. Entlohnt werden Angestellte wie freie Mitarbeiter dafür ähnlich wie bei der taz: deutlich unter Tarif.

Sogar Werbung

Immerhin: Der Glaube kommt an, nicht nur bei den Lesern. Auch in der Kickerbranche genießen Elf Freunde mittlerweile einen guten Ruf, was die Arbeit deutlich erleichtert. „Es ist nicht mehr so das große Problem, an Interviews mit Branchengrößen ranzukommen“, sagt Köster. „Wir werden wahrgenommen.“

Das gilt freilich nicht nur für Spieler und Trainer, sondern auch für die Werbewirtschaft. Vor allem die großen Sportartikler sind mittlerweile allesamt im Blatt vertreten, was dafür sorgt, dass der Kölner Intro-Verlag, dem sich die Elf Freunde im Januar 2003 angeschlossen haben, schwarze Zahlen schreiben kann, „die aber sofort wieder ins Heft reinvestiert werden“, wie Köster versichert. „Wir wollen Elf Freunde ja weiter ausbauen.“ Irgendwann kommt der Vierjährige schließlich aus der Schule.