„Wäre Merkel Kanzlerin, stünden keine Deutschen im Irak“

Der CDU-Außenpolitiker Friedbert Pflüger über George W. Bushs einseitige Nahostpolitik und die Kritik am US-Präsidenten in der eigenen Partei

taz: Herr Pflüger, Sie sind gerade von einer mehrtägigen Nahostreise zurückgekehrt. Wie viele neue Freunde hat George W. Bush mit der Wende in seiner Nahostpolitik in den arabischen Ländern gewonnen?

Friedbert Pflüger: Keine. Das muss man so deutlich sagen. Selbst die amerikafreundlichen Kräfte in der arabischen Welt haben mit Unverständnis reagiert.

Dann war der Alleingang von Israels Premier Scharon und Präsident Bush also falsch?

Ob es ein Alleingang war, kann ich nicht endgültig beurteilen. Ich habe keine Informationen darüber, dass die anderen Mitglieder des Nahostquartetts vor der Initiative konsultiert worden sind. Bush hat versucht, Scharon bei dem innenpolitisch schwierigen Versuch zu helfen, die Siedlungen im Gaza-Streifen aufzugeben. Er hat so aber den Eindruck erweckt, er habe sich im israelisch-palästinensischen Konflikt auf eine Seite geschlagen.

Kann Bush überhaupt noch als Vermittler im Nahostkonflikt auftreten?

In der arabischen Welt jedenfalls wird die neutrale Verhandlungsposition der Amerikaner, die sich in zwei Camp-David-Abkommen niedergeschlagen hat, zunehmend in Frage gestellt.

Ist die Roadmap, der internationale Fahrplan zu einem Frieden in Nahost, damit erledigt?

Ich hoffe nicht. Ich finde es richtig, dass die Bundesregierung und die EU mit maßvoller Kritik auf die Erklärung zwischen Scharon und Bush reagiert haben. Sie versuchen, die Roadmap und die internationale Zusammenarbeit im Nahostquartett zu erhalten. Zur Roadmap gibt es nun mal keine Alternative. Aber ich fürchte, dass wir bis nach den amerikanischen Präsidentschaftswahlen warten müssen, bis es zu einem tragfähigen Neuanfang im Friedensprozess kommen wird.

Macht die Infragestellung der Roadmap durch Bush und Scharon eine Lösung im Irak nicht noch viel schwieriger, als sie ohnehin schon ist?

Das steht zu befürchten. Es gibt die reale Gefahr, dass der israelisch-palästinensische Konflikt jetzt noch weiter eskaliert. Ich halte es für möglich, dass sich der Hamas-Terror mit dem Al-Qaida-Terror verbindet. Das wäre eine ganz neue Qualität der Bedrohung.

Die Lage im Irak wird immer dramatischer. Selbst in den USA sprechen mittlerweile viele von einem zweiten Vietnam. War Bushs Krieg ein Fehler?

Das wird letztlich die Geschichte zeigen. Es hängt wesentlich davon ab, ob wir jetzt die richtigen Entscheidungen hinsichtlich des Irak treffen.

Das schlechte Gewissen Ihres Parteifreundes Jörg Schönbohm ist bedeutend größer. Der Irakkrieg sei „rückblickend gesehen falsch“, sagt er. In der Frage der Massenvernichtungswaffen hätten sich alle geirrt.

Ob es wirklich keine Massenvernichtungswaffen gegeben hat, ist noch keineswegs erwiesen. CDU und CSU haben den Krieg weder gewollt noch begrüßt. Das habe ich im November 2002 für meine Fraktion im Deutschen Bundestag erklärt. Wir wollten allerdings – im Gegensatz zum Bundeskanzler –, dass es eine gemeinsame Drohkulisse des Westens gegenüber Saddam Hussein gibt. Es gab die Chance, Saddam ohne Krieg in die Knie zu zwingen. Aber Europa hat sich damals selbst gespalten. Joschka Fischer hat kürzlich selbstkritisch eingeräumt, dass Europa in der entscheidenden Phase nicht dialogfähig gewesen sei. Jetzt geht es nicht um rückwärts gewandte Rechthaberei, sondern um die Zukunft des Irak.

Gerhard Schröder stellt zur Erbauung der rot-grünen Wähler gern eine rhetorische Frage: Wo stünde heute Deutschland, wenn Angela Merkel damals Kanzlerin gewesen wäre? Also, Herr Pflüger, wo stünde Deutschland? Mitten im Schlamassel im Irak, fest an der Seite der amerikanischen Freunde?

Nein. Es stünden keine deutschen Soldaten im Irak. Die CDU hat nie gefordert, deutsche Truppen dorthin zu schicken. Festzuhalten ist: Bundeskanzler vor Kriegsbeginn war Gerhard Schröder. Er hat damals zwar viel geredet, aber nichts bewirkt. Und gemessen werden Politiker nicht an ihren Worten, sondern an ihren Taten. Unter einer Kanzlerin Angela Merkel hätte es die von Fischer beklagte Dialogunfähigkeit nicht gegeben. INTERVIEW: JENS KÖNIG