Ausblick auf den Insel-Krieg

Psssssst! Geheim!!!! Die Nordmedia veranstaltete einen Workshop für eine Berfufsgruppe, auf die 13-Jährige Jungs neidisch sind und über die Lehrer die Nase rümpfen: 40 Computer-Spiel-Entwickler trafen sich in Hannover

Eigentlich dürfte es diese Zeilen gar nicht geben. Keiner sollte erfahren, woran die Typen in Lederkluft, Nadelstreifenanzug oder Jeans hinter den Glasfassaden eines Betonbunkers auf dem verwaisten Expo-Gelände am Wochenende getüftelt hatten. Eine vier Seiten lange Verschwiegenheitserklärung musste unterzeichnet werden, damit es keiner erfährt. Aber weil Martin Kokkeling später sagte: „So ein Humbug. Schreib das ruhig,“ darf die Welt jetzt über den Schiffbruch Bescheid wissen.

Über den Schiffbruch und auch über die einsame Insel, von der aus sich die Überlebenden ein Imperium aufbauen, das sich Stück für Stück über den Ozean ausbreiten wird, und schon bald unsere Küsten erreichen könnte. Kokkeling sagt, es könnten sich ruhig schon mal alle auf The War of the Islands einstellen und wenn er das sagt, ist es okay. Denn der hat sich dasschließlich ausgedacht.

Sie kommen nicht vom BND oder der GSG9, dieLederkluft- und Nadelstreifen-Leute auf dem Expo-Gelände. Sie sind Computerspieleerfinder. Das Inselimperium entstand während einer Brainstorming-Session bei einem Workshop der Nordmedia. Die Mediengesellschaft der Länder Bremen und Niedersachsen brachte am Wochenende 40 Spiele-Erfinder zusammen, „ um neue Ideen auszuspinnen, sich weiterzubilden und Kontakte zu knüpfen,“ so Projektleiter Sebastian Wolters. Die Branche solle ausgebaut werden. Sie sei in Deutschland nämlich unterentwickelt. Und weil die Wirtschaftsministerien das gerne anders sähen, wird das Projekt ordentlich bezuschusst. 100 Euro Gebühr zahlte jeder Teilnehmer. Im Vergleich zu den Kosten des Workshops seien das Peanuts. Wolters grinst geheimnisvoll. Mehr sagt er aber nicht.

Für die Investition durften 30-Jährige C64-Freaks der ersten Stunde zumindest fortwährend so verzückt grinsen, wie es sonst nur 11-jährige Stürmer aus der Kreisklasse zustandebringen, wenn sie Rudi Völler die Hand schütteln dürfen. Denn als Referenten waren drei Götter der Computerspielbranche angereist. Die Amerikaner Bob Bates, Noah Falstein und den deutschen Guru Ralf Adam. Bates fuhr mit seinen 25 Spielen insgesamt 40 Preise ein. Noah Falstein hat unter anderem zwei Indiana-Jones-Spiele entwickelt und Ralf Adam erdachte sich mit der Gilde und Desperados – Wanted Dead or alive echte Knüller.

Auffällig, dass weibliche Teilnehmer weitgehend fehlten. Genau genommen gab es nur eine einzige. Die Gründe dafür? Kathleen Kunze schätzt: „Bevor du in der kreativen Abteilung einer Developer-Firma angekommen bist, musst du dich durch Programmierjobs schlagen.“ Und das reize kaum ein Mädel.

„Vielleicht ist das auch ein Grund für den schwachen deutschen Markt,“ meint Noah Falstein und erzählt, dass bei den Marktführern in den USA Frauen längst erfolgreich miterfinden. Einen weiteren Grund für die deutsche Probleme kennt Bob Bates: „Wenn ihr einen Autorennen konzipiert, designt ihr den Ferrari originalgetreu bis zur letzten Schraube – und der Spaß am Fahren steht im Hintergrund.“

Angesagt sind in der Deutschland aber auch vor allem Strategie- und Aufbauspiele. Mit seinem Inselimperium hat Kokkeling vielleicht aber einen Weg gefunden, ballereigewohnte Amis für die hiesige Spielkultur zu begeistern. Für War of the islands, das er mit vier Workshopteilnehmern entwarf, erntete er Lob seitens der Meister – und mittlerweile bereits zwei Veröffentlichungsangebote aus den USA. Falstein, weiß auch warum: „Jeder amerikanische Publisher, der von einem Spiel mit dem Wort Krieg im Titel hört, denkt: Wow. Das ist super.“

Dorothea Ahlemeyer