Nur eine Woche Kita-Frieden

Sozialbehörde startet Krippen-Notprogramm fast ohne Krippen. SPD wirft Senat „Herausmogeln“ aus der Kita-Vereinbarung vor. Gut 1.200 ErzieherInnen demonstrierten gegen Verschlechterung der Kita-Betreuung und Abbau der Arbeitsplätze

von KAIJA KUTTER

Der Kita-Frieden zwischen SPD und CDU-Senat währte nur wenige Tage. „Ich habe den Eindruck, dass der Senat sich aus den Zusicherungen des Bürgermeisters herausmogeln will“, erklärte Andrea Hilgers, die neue jugendpolitische Sprecherin der SPD-Fraktion. Der Streit geht um die Umsetzung des Senatsversprechens, im Rahmen eines Soforthilfeprogramms noch im April auch Eltern von Kindern im Krippenalter Kita-Plätze anzubieten, für die es bisher gar keinen Gutschein gab – in dessen Folge bald ein Drittel der Plätze leer stehen.

„Wir haben extra darauf geachtet, dass Eltern die Wahlfreiheit zwischen Krippe und Tagespflege erhalten“, erklärt Hilgers, die bei den Kita-Verhandlungen dabei war. Doch das Notprogramm, dass Sozialsenatorin Birgit Schnieber-Jastram (CDU) gestern bekannt gab, soll nun „vorrangig“ Tagespflegestellen vermitteln. Und dies auch nur an Familien die sonst in „extreme Notsituationen“ geraten würden, weil der Verlust des Arbeitsplatzes droht oder eine ansonsten sichere Arbeit nicht aufgenommen werden und das Kind „in keiner Weise“ betreut werden kann. Hilgers ist der Meinung: „Das ist so eng formuliert, dass es abschreckt. Nach Vereinbarkeit von Beruf und Familie hört sich das nicht an.“

Auch sollen diese Fälle von einer „Feuerwehr der Sozialbehörde“ abgearbeitet werden. Die Bezirke wurden in einem internen Papier extra angewiesen, sie sollen „nicht von sich aus die Warteliste nach in Frage kommenden Fällen durchsuchen“.

Immerhin hat die Sozialbehörde gestern eine Hotline (42 8 63 36 36, von 8 bis 13 Uhr) für Eltern mit Fragen eingerichtet. Unter welchen Konditionen es doch einen Krippenplatz gibt, konnte Pressesprecher Oliver Kleßmann nicht sagen: „Das wird individuell geregelt.“ Immerhin kann das Gros der 3.002 Eltern auf der Warteliste auf den 1. August hoffen, wenn laut CDU-Bürgermeister Ole von Beust alle Kinder im Krippenalter mit Betreuungsplätzen versorgt werden sollen. Laut Kleßmann fällt dann allerdings nur die zweite Einschränkung „extreme Notsituation“ weg.

Darüber, wie für diese Eltern ein Krippenangebot geschaffen wird, kursierten gestern nur Gerüchte. GEW-Kita-Fachsprecher Jens Kastner will erfahren haben, dass die Sozialbehörde beschäftigungslose Mütter als Tagesmütter anwerben und dann in den leeren Krippenräumen der Kitas die Kinder betreuen lassen will. Da dies nur mit Aufwandsentschädigung und ohne Sozialversicherungsbeiträge geschehen solle, spricht die GEW von der Vernichtung von ErzieherInnenstellen. Kastner: „Andernorts heißt dies Schwarzarbeit.“

Kastner sprach gestern auch auf einer außerordentlichen Betriebsversammlung der städtischen Vereinigung der Kindertagestätten im Audimax. Im Anschluss an die Versammlung marschierten 1.200 ErzieherInnen zum Gänsemarkt, wo der Finanzbehörde eine Resolution gegen drohende Kürzungen beim Kita-Personal überreicht wurde.

Kleßmann bestätigte die Gerüchte nicht, nannte sie nur „erstaunlich“. Kleßmann: „Noch kann gar nichts verkündet werden. Wir brauchen Zeit, um Zahlen auf dem Tisch zu haben.“ Etwas detaillierter äußerte sich Schnieber-Jastrams Staatsrat Klaus Meister in einem Gepräch mit dem Bündnis „Eltern für familiengerechte Betreuung“. Demnach soll mit der städtischen Vereinigung ein Niedrigpreis für Krippenplätze ausgemacht werden – derzeit kosten sie rund 1.300 Euro –, zu dem dann auch andere Kitas Plätze anbieten können. „Viele kleine Träger können sich das nicht leisten“, erklärt Brigitte Eggers für die Initiative. Bis zum geplanten Rechtsanspruch 2006 würde die Krippeninfrastruktur bei freien Trägern dann kaputtgehen. Auch Eggers hat von dem Tagesmütter-Krippen-Konstrukt gehört, allerdings nicht als Behördenplan, sondern als „Not-Idee“ kleiner Träger und gekündigter ErzieherInnen, um sich bis 2006 „irgendwie zu retten“.