Wo bleibt der Ruck?

Betr.: „Eine weise Entscheidung“, taz bremen vom 16. Juni 2003

Die ganz große ideologisch ausgerichtete Umorganisation bleibt dem Bremer Schulwesen erspart – hier ein wenig CDU, hier ein wenig SPD und irgendwie wird es schon gehen. So kommt Schulvielfalt zustande und das ist in Anbetracht unserer vielfältigen Gesellschaft auch richtig. Aber eine richtige Perspektive, ein Ruck, den Politiker für das Bildungswesen fordern, haben die Koalitionsergebnisse nicht ausgelöst. Die Vereinbarungen beschränken sich weitgehend auf Organisationsreformen, die zudem nicht konsequent durchdacht sind.

Pisa hat zum Ergebnis gehabt, dass Kinder aus MigrantInnenfamilien und solche aus sozial schwachen Familien aus unserem Bildungssystem weitgehend ausgegrenzt werden. Die Antwort der Koalition auf diese Herausforderungen lautet: Abitur nach zwölf Jahren. Damit wird das Gegenteil von Partizipation erreicht, nämlich die weitere Ausgrenzung gerade dieser Gruppen aus den gymnasialen Bildungsgängen. Für RealschülerInnen gibt es künftig nur den Weg über die beruflichen Gymnasien oder über die Gesamtschulen. Erstere werden aber regional nicht überall angeboten. Für schwache GymnasiastInnen gibt es in der vorgesehenen Struktur kein Angebot mehr, sie fallen durch die Roste. Wie problematisch die Ausschließlichkeit des zwölfjährigen Regelangebots ist, zeigt sich z.B. daran, dass es noch nicht einmal in Schwachhausen gelingt, alle bisherigen SchülerInnen damit zu erfassen – wie soll es da in bildungspolitisch schwierigen Bereichen wie z.B. im Bremer Westen gelingen?

In der Frage der Entwicklung der Schulkultur, sprich Autonomie von Schulen und der damit verbundenen inneren Schulreform scheinen sich die Koalitionäre kaum Gedanken gemacht zu haben. Das ist in Anbetracht real zunehmender Bürokratisierung und Zentralisierung des Bremer Schulwesens eine ziemlich große Hypothek für dessen Weiterentwicklung. Bremer Schulen brauchen endlich Freiheit und Verantwortlichkeit. Diese ursprünglich mit dem Schulgesetz begonnene Entwicklung ist in den letzten Jahren massiv zurückgefahren worden, obwohl sie in der ersten Phase nicht nur inhaltlich sondern auch wirtschaftlich erfolgreich war. Die Beschaffung ist weitgehend zentralisiert, die Gebäudebewirtschaftung ist inzwischen auf vier bis fünf Institutionen verteilt, die inhaltliche Schulgestaltung wird über die Profiloberstufe weitgehend standardisiert, so genannte Schülerströme sollen künftig so von der Zentraleinheit am Rembertiring gesteuert werden. Die Koalitionäre haben also in zwei von Pisa ermittelten Problemfeldern keinerlei Ansätze zur Verbesserung formuliert. Damit sind sie ihrem eigenen Anspruch der Gestaltung der Zukunftsfähigkeit des Bremer Bildungswesens nicht so ganz gerecht geworden. Helmut Zachau