Hektik im Beitritts-Countdown

Russland, Baltikum, Zypern: Die Außenminister der Europäischen Union haben fünf Tage vor der Erweiterung der Gemeinschaft noch zahlreiche Detailprobleme zu lösen. Die verpatzte Abstimmung auf der Mittelmeerinsel bereitet ihnen Kopfzerbrechen

AUS BRÜSSELDANIELA WEINGÄRTNER

Die europäischen Außenminister haben gestern in Luxemburg versucht, Optimismus zu verbreiten. Dabei sind auch fünf Tage vor der Beitrittszeremonie der zehn neuen EU-Mitglieder in Dublin noch etliche Fragen offen. Erweiterungskommissar Günter Verheugen versicherte den Ministern, dass in den bis zuletzt problematischen Verhandlungskapiteln – vor allem bei der Lebensmittelsicherheit – die größten Probleme gelöst seien.

Es gebe keinen Grund, die Notbremse zu ziehen und die Schutzklausel aus den Beitrittsverträgen anzuwenden. Sie erlaubt der Kommission in Ausnahmefällen, Rechte der neuen Mitgliedsländer auszusetzen, bis gravierende Missstände behoben sind.

Außenpolitisch liegt allerdings noch vieles im Argen. Zwar war Kommissionspräsident Romano Prodi letzte Woche mit einem positiven Ergebnis aus Moskau zurückgekommen. Russland erhält Handelserleichterungen als Ausgleich dafür, dass es ab 1. Mai für den Export in die ehemaligen Staaten des Warschauer Paktes Handelszölle entrichten muss. Die russische Regierung hatte die dadurch entstehenden Mehrkosten auf 300 Millionen Euro pro Jahr geschätzt. Auch die politischen Streitpunkte im Zusammenhang mit der russischen Minderheit im Baltikum glaubte Prodi vergangene Woche ausgeräumt. Dagegen kam der Chef der Konservativen im Europaparlament, Hans-Gert Pöttering, von seiner Reise durch die baltischen Staaten gestern mit einer ganz anderen Botschaft zurück: Die gemeinsame Erklärung Russlands und der EU zur Erweiterung dürfe nicht ermöglichen, dass Moskau wegen der russischen Bevölkerung in Lettland und Estland Einfluss auf die Innenpolitik dieser Länder zu nehmen versuche.

Der zypriotische Außenminister Giorgos Iakovou bekam gestern den Ärger seiner Kollegen über das verpatzte Referendum zu spüren. „Alle schweigen hier. Selbst die, die als unsere Freunde galten, halten jetzt ihre Karten bedeckt“, klagte der Minister gegenüber dem zyprischen Rundfunk. Um seinen guten Willen zu zeigen, forderte Iakovou die EU auf, die für Nordzypern eingeplanten 259 Millionen Euro dennoch zu zahlen, obwohl der Norden zunächst nicht zum Einflussbereich der EU gehören wird. Auch möchte er den zollfreien Warenverkehr, der zunächst nur für Südfrüchte und den Farbstoff Terra Umbra gelten soll, auf Bergbau, Fischerei und sämtliche landwirtschaftliche Produkte ausdehnen.

Völlig offen ist, wie die Europäische Union dann ihre Lebensmittelstandards sichern soll. Auch bei den EU-Subventionen gibt es praktische Probleme. Erweiterungskommissar Günter Verheugen hat die EU-Außenminister gestern darauf hingewiesen, dass das internationale Embargo über Nordzypern unverändert fortbesteht. Zudem sind die Möglichkeiten der EU, die korrekte Vergabe der Mittel und die planmäßige Durchführung von Projekten im Norden zu kontrollieren, sehr eingeschränkt.