Einfache Gesten

Filme der Videokünstlerin Kika Thorne im Rahmen der kanadischen Filmreihe „Pleasure Dome“ im Arsenal

Das Arsenal-Kino wird zum „Pleasure Dome“: Die Freunde der Deutschen Kinemathek präsentieren in Zusammenarbeit mit der kanadischen Botschaft Experimentalfilme, Videokunst und „fringe media“ aus Toronto. Kuratiert wird das Filmprogramm vom kanadischen Experimentalfilmer Mike Hoolboom, Mitbegründer von „Pleasure Dome“, einem wechselnden Kollektiv von Filmemachern und Videokünstlern, das seit 1989 in den Bars, Galerien, Theatern, Parks oder Hausfluren von Toronto seine Arbeiten vorführt.

Das Eröffnungsprogramm widmet sich ausschließlich den Arbeiten der Aktivistin, Film- und Videokünstlerin Kika Thorne: „The disOrder of Things – Kika Thorne in person“. Thorne verbindet Kunst mit politischem Aktionismus, ihre Filme werden nicht nur in Galerien geloopt, sie bilden auch den Hintergrund für Demonstrationen und Protestveranstaltungen. Das Politische ist für Thorne nicht nur Gegenstand, sondern genauso Medium und Voraussetzung der Kunst selbst. „Kunst ist die Produktion von Freiheit: frei sein, zu schlafen, alleine zu sein, nachzudenken, abzuhängen oder gemeinsam zu arbeiten.“

Weniger als die Kunst und ihre Rituale interessiert die Experimentalfilmerin die Gemeinschaft, die in, durch und um die Produktion von was auch immer – ein Kunstwerk, eine spontane Improvisation, eine politische Aktion oder alles zugleich – entsteht. Ihre Filme stellen die Frage nach dem guten Zusammenleben und den Bedingungen des Produzierens: Wie produziert man und warum? Für wen? Und weil die Produktion von vielem und vielen abhängt: vom nahen Geflecht des Freundeskreises bis zum weiten Raum der Stadt, in der man lebt, finden sich in den Filmen solch „private“ Themen wie Beziehungen, Sexualität, Erinnerung genauso wieder wie Stadtdiskurse und der politische Protest gegen die Privatisierung des öffentlichen Raumes.

„Ich versuche stets, nur sehr einfache Gesten zu machen. Weil ich immer noch von der Tatsache erschüttert werde, dass man nicht alles sein kann.“ Man kann nicht alles sein, aber man kann zwei Filme in einem machen. „Work“ enstand nach den Vorgaben des „On the Fly“-Festivals: zwei Kameras, 24 Stunden Zeit, kein Drehbuch. Weil das so wenig Zeit ist und so viel zu sagen bleibt, hat Thorne die einfachste Geste von allen gefunden und immer beide Kameras zugleich laufen lassen. Beide Frames werden im Splitscreen-Verfahren parallel gezeigt. „Work“ zeigt einen Tag im Leben einer jungen Frau, die sich beklagt, keine Zeit mehr zu haben, dann ihren Job verliert und plötzlich das tun kann, was sie sich gewünscht hat.

„Work“ ist, neben der Ironie des Titels, ein Film über Balance: strenge formale Vorgaben treffen auf Improvisation. Einen „Essay über eine einfache Struktur“ nennt die Regisseurin auch ihren „You = Architectural“, drei gleich lange Teile über Sexualität, Macht und Raum. Über die Architektur der Beziehungen. Zwischen Aktivismus und Abstraktion, Dokumentarismus und Tagträumerei, Super 8 und Video bewegt sich das Spektrum ihrer Filme. Bei aller thematischen Vielfalt und der Nachdrücklichkeit, mit der sie klare politische, gesellschaftliche Position bezieht, sind ihre Filme nie Anhängsel einer Botschaft, nie bloßer Verweis auf eine andere Wahrheit, sondern die Botschaft selbst.

Die Materialität des Mediums muss erkennbar bleiben, und so arbeitet Thorne mit Vorliebe mit Mitteln wie Zeitraffer, Körnung, Aufbau einer Narration und ihre Brechung, Wechsel der Perspektiven.

„Aktivismus bedeutet für mich, etwas mit vielen Leuten gemeinsam zu machen. Es ist ein sehr fantastischer, utopischer Moment, der genauso lange dauert, wie es eben passiert. Die Veränderung wird spürbar in solchen Momenten, und diese Nähe finde ich erstaunlich ähnlich wie Sex.“ Thornes Filme erzählen nicht nur von der Freude, die ihre Produktion gemacht hat: Sie machen auch Spaß, gesehen zu werden. DIETMAR KAMMERER

Kika Thorne ist zur Vorführung ihrer Filme zu Gast im Arsenal. Ab 19.30 Uhr, Potsdamer Str.2, Potsdamer Platz