Bisky sagt Ja – Fischer sagt Jein

Streit über Volksabstimmung zur EU-Verfassung. Austritt aus EU bei einem Nein?

„Die Frage muss lauten: Wollen Sie diese Verfassung oder aus der EU austreten?“

BERLIN taz ■ PDS-Chef Lothar Bisky hat sich für eine Volksabstimmung über die europäische Verfassung ausgesprochen. „Mit ihrer bisherigen Blockadehaltung gegen ein Referendum entmündigen SPD und CDU/CSU die Bürgerinnen und Bürger“, sagte Bisky gestern. Die PDS lehnt den EU-Verfassungsentwurf wegen dessen angeblich neoliberaler Ausrichtung ab.

Der PDS-Vorsitzende begrüßte ausdrücklich die Ankündigung der britischen Premierministers Tony Blair, ein Referendum über den EU-Verfassungsvertrag in Großbritannien abhalten zu wollen. Bisky sagte, die Frage, ob Blair dieses Referendum aus rein machtpolitischen Erwägungen vorgeschlagen habe, sei nicht so wichtig. „Entweder man ist für Volksabstimmungen oder nicht.“

Bisky sprach sich außerdem dafür aus, ein solches Referendum über die EU-Verfassung europaweit durchzuführen. Als gemeinsamen Abstimmungstag schlägt die PDS den 8. Mai 2005 vor. Bisky ist dafür, nur über die Frage abstimmen zu lassen, ob man für oder gegen die Verfassung ist. Alle anderen Aspekte würden das Referendum überfrachten. „Das gehört nun mal zur Demokratie dazu, dass Leute möglicherweise über etwas anderes abstimmen als von den Initiatoren gewünscht.“

Bisky reagierte damit auf einen Einwand des grünen Außenministers Joschka Fischer. Dieser hatte auf einer grünen Wahlkampfveranstaltung am Freitagabend in Frankfurt am Main eine Volksabstimmung mit dem Hinweis abgelehnt, die Bürger würden bei einem solchen Referendum über ganz andere Fragen abstimmen. Es würde ihnen vor allem darum gehen, „den Frust über die jeweilige Regierung los zu werden“. Die Bürger würden nicht die einzelnen Artikel der Verfassung lesen.

Fischer war daraufhin von Daniel Cohn-Bendit, dem grünen Spitzenkandidaten zur Europawahl, unterbrochen worden. Cohn-Bendit wies seinen Freund darauf hin, dass das Inkrafttreten der EU-Verfassung an Referenden in Frankreich und Großbritannien zu scheitern drohe. „Die einzige Möglichkeit, wie Deutschland dem französischen Staatspräsidenten Chirac aus der Patsche helfen kann, ist eine europaweite Volksabstimmung“, sagte Cohn-Bendit. „Die Staaten, die Nein sagen, müssen dann entscheiden, ob sie in Europa bleiben wollen mit dieser Verfassung oder rausgehen.“

Mit diesem Einwurf hatte Cohn-Bendit Fischer aus der Reserve gelockt. Fischer, der mit seiner Ablehnung eines Referendums eine Minderheitenposition in seiner Partei vertritt, schloss eine Volksabstimmung plötzlich nicht mehr prinzipiell aus. Wenn bei der Abstimmung über die Alternative entschieden werde, „wir wollen diese Verfassung oder wir treten aus der Europäischen Union aus, dann wäre ich sofort für eine Volksabstimmung“, sagte Fischer. „Dann wäre ich mir ganz sicher, dass die Abstimmung überall in Europa gewonnen würde.“ So lange den EU-Staaten bei einem Nein aber kein Ausschluss drohe, so der Außenminister, „bin ich dagegen“.

JENS KÖNIG