Drei Millionen Menschen sind eine kritische Masse

Ob bei der Datenverarbeitung, der Finanzierung oder der Vermittlung. Das Arbeitslosengeld II bedeutet einen Kraftakt beim Verwaltungsumbau. Die vier Knackpunkte

Es sollte ein Beispiel für Entbürokratisierung werden: Die Zusammenlegung von Arbeitslosen- und Sozialhilfe zum Arbeitslosengeld II – kurz Alg II, an Kneipentischen auch schon mal „Alk zwo“ genannt. Doch die Knackpunkte zeigen sich erst jetzt.

1. Die Datenerhebung: Alle erwerbsfähigen Langzeitarbeitslosen sollen künftig das Alg II bekommen, also sowohl die rund zwei Millionen Empfänger von Arbeitslosenhilfe als auch die schätzungsweise eine Millionen Sozialhilfeempfänger, die mindestens drei Stunden am Tag arbeiten können. Das bedeutet eine gigantische Datensammlung. Für drei Millionen Menschen müssen die örtlichen Arbeitsagenturen, nun Jobcenter genannt, Daten über Vermögen, das eigene und das Einkommen des Partners, Kinderzahl, Unterhaltsverpflichtung, Miet- und Heizkosten sammeln und danach deren Bedürftigkeit feststellen. Die Software für eine solche Datenmenge wird noch entwickelt.

2. Der Finanzierungsstreit zwischen Bundesregierung und Kommunen: Künftig sollen alle Alg-II-Empfänger ihr Geld von den Jobcentern bekommen. Klingt simpel, hinter den Kulissen aber ist die Finanzierung höchst kompliziert. Städte und Gemeinden sollen nämlich für die Wohn- und Heizkosten der Alg-II-Empfänger aufkommen, der Bund hingegen bezahlt die so genannten Regelleistungen zum Lebensunterhalt, also beispielsweise 345 Euro (Osten: 331 Euro) für einen Alleinstehenden. Die Kommunen protestieren dagegen. Sie befürchten durch die hohen Wohnkosten Mehrbelastungen von einigen Milliarden Euro. Es wird noch verhandelt.

3. Das „Optionsgesetz“: Für die Langzeitarbeitslosen sollen künftig die Jobcenter zuständig sein, auf Wunsch sollten aber auch die Kommunen die Betreuung der Langzeitarbeitslosen übernehmen können und für diese „Option“ dann von der Bundesregierung bezahlt werden. Dieses „Optionsgesetz“ ist so gut wie vom Tisch. Einzelne Kommunen sind sauer darüber.

4. Die Vermittlung der Langzeitarbeitslosen: Für die Vermittlung der drei Millionen Alg-II-Empfänger sollen künftig die Jobcenter zuständig sein. Dort soll es Arbeitsgemeinschaften geben, in denen auch das Know-how der bisherigen Beschäftigungsprojekte der Sozialämter einfließt. Doch die Langzeitarbeitslosen sind höchst unterschiedlich: Darunter finden sich 50-jährige Akademiker ebenso wie Mütter mit kleinen Kindern und vom Jobmarkt völlig abgehängte Alkoholkranke. Wie diese heterogene Klientel laut Hartz-Gesetz „passgenau“ in Jobs vermittelt werden oder wie sich für sie Beschäftigungsmaßnahmen finden sollen, ist noch ungeklärt. BARBARA DRIBBUSCH