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: … 2, 3, 4, denn die Partei sind wir

„Christiansen“

(So., 23.00 Uhr, ARD)

Selten genug, dass unter dem „Christiansen“-Kuppelhimmel mal nicht parteipolitisch der Graben verteidigt, sondern sozusagen metapolitisch in der Psyche gerührt wurde. Fast hörte man Hans Meiser durch das Studio psychologisieren, als unter der Überschrift „Politik als Droge“ am Sonntag das Ende Möllemanns Thema war.

Ein gutes Thema mit guten Gästen: CSU-Mann Gauweiler konnte alles auf die Medien und die Justiz schieben, der Frankfurter Oberstaatsanwalt Schaupensteiner konnte diese Vorwürfe entkräften, SZ-Journalist Hans Leyendecker ebenfalls, Antje Vollmer konnte einen moralischen Finger heben mit der sehr wahren Bemerkung, der Sündenbock sei immer nur die Kehrseite des Wundermannes, Andreas Reichel, Exschatzmeister der FDP in Nordrhein-Westfalen, konnte vom angeblichen politischen Heimatdiebstahl Möllemanns klagen, und zu guter Letzt konnte Günter Rexrodt gegen diesen Vorwurf leise den Parteisoldaten marschieren lassen – 1, 2, 3, es lebe die Partei, 2, 3, 4, denn die Partei sind wir. Schließlich darf man nicht vergessen, dass Möllemann nicht der erste Politiker war, dem Korruption, Fehlverhalten und Lügen vorgeworfen werden. Also ging es irgendwie um die eigene Nase der meisten Gäste.

Jener psychologische Zusammenhang zwischen Macht und Fehlverhalten war denn auch das spannendere Thema bei Christiansen. Der konsultierte Psychoanalytiker nannte das „gestörtes Verhalten“: Bestimmte Politiker (natürlich auch andere Berufsgruppen), die ganz oben, ganz vorne, ganz stark sind und sein müssen, verlieren hin und wieder den Sinn für die Realität und denken zum Beispiel, wie Leyendecker einstreute, dass sie es nicht nötig haben, Spendernamen oder andere mit illegalen Praktiken verbundene Informationen herauszugeben. Oder beim Drogenkauf besser aufzupassen.

„Sind Politiker gestört?“ wäre also die noch bessere Überschrift gewesen, unter der vermutlich aber weniger Gäste der Einladung Folge geleistet hätten. Wer weiß? Bei manchen der von der Droge Politik betroffenen Damen und Herren kommt der Sprung auf die Couch des Analytikers bestimmt noch früh genug. JENNI ZYLKA