Avantgarde für Guido

FDP retuschiert ihr Erscheinungsbild von der Volks- zur Besserwisserpartei – ohne Diskussion und Beschluss

BERLIN taz ■ Der Wechsel der FDP von der Volks- zur Avantgardepartei ist gestern gründlich und kompromisslos erfolgt. Vorstand und Präsidium der Freiheitlichen durften Parteichef Guido Westerwelles neuen „Die FDP weiß es besser“-Anspruch leidiglich zur Kenntnis nehmen. „Es gab heute keine inhaltliche Diskussion der neuen FDP-Positionsschrift“, verriet Generalsekretärin Cornelia Pieper.

Das ist ganz nach dem Vorbild ehemals staatssozialistischer Avantgardeparteien: Der Vorsitzende gibt eine neue Tagesparole aus – das Politbüro schweigt und nickt. Entsprechend darf der bevorstehende Parteitag im Juni das neue Programm auch nicht beschließen. Die neue Avantgarde ist allein für Guido bestimmt.

Mit Sozialismus, klar, will die FDP nichts am Hut haben, nicht mal mehr mit dem „unbezahlbaren Verteilungsstaat“, wie die Liberalen das herrschende politische Modell des Sozialstaats nennen. Das Alleinstellungsmerkmal der FDP, so betonen es Pieper und die neue Positionsschrift geradezu aufdringlich, ist der „Glaube an die Leistungskraft des Einzelnen und die Überzeugung, dass […] Bevormundungskollektive die Bedürfnisse des Einzelnen weitaus weniger einschätzen und regulieren können, als mancher Gesellschaftsingenieur sich das in seinen Allmachtsfantasien ausmalt“.

Zu den neuen Freiheiten, die die FDP der Gesellschaft verspricht, gehört freilich zu allererst mal eine neue Gebühr. Bildung nämlich soll es zwar für alle geben – aber, was die Unis anlangt, nicht mehr umsonst, daher werden Studiengebühren in Form von Bildungsgutscheinen propagiert. Im Übrigen ist der alte Sozialstaat der FDP doch noch wichtig: An ihm arbeitet sich die Positionsschrift über viele Seiten ab. CHRISTIAN FÜLLER