Puzzeln mit Erfolg

Vier Spieltage vor Saisonende hat der 1. FC Nürnberg neun Punkte Abstand zu einem Nichtaufstiegsplatz. Zu verdanken hat er das Trainer Wolfgang Wolf, der den Club neu sortiert hat

AUS NÜRNBERG KATHRIN ZEILMANN

Wolfgang Wolf stand vor dem Fanblock und winkte. Er verbeugte sich, klatschte in die Hände – und hatte dazu besten Grund: 3:0 hatte sein Team, der 1. FC Nürnberg, gegen Alemannia Aachen gewonnen. Dass Nürnberg nach einem Jahr in der 2. Liga zurückkehren wird in die Bundesliga, steht nach diesem Sieg vom Montag eigentlich außer Frage. Die Tabelle, die der Club anführt, weist neun Punkte Vorsprung auf einen Nichtabstiegsplatz aus. Schief gehen kann da eigentlich nichts mehr.

„Wenn wir das verhauen, sind wir die Deppen der Nation“, befand auch Torhüter Raphael Schäfer, während Mannschaftskapitän Thomas Larsen sinnierte: „Ja, ich glaube, das war ein vorentscheidendes Spiel.“ An sich war es – abgesehen von zwei roten Karten für Aachens Willi Landgraf und Nürnbergs Sasa Ciric – eine wenig spektakuläre Partie. Nürnberg war überlegen, ohne arrogant und fahrlässig zu werden. Das reichte.

Ein Schritt in Richtung Aufstieg sei das Spiel wohl gewesen, „mehr aber auch nicht“, befand auch Club-Coach Wolf. Dass die Franken einen großen Teil ihres derzeitigen Erfolgs dem Trainer mit dem pfälzischen Zungenschlag und dem leichten Lispeln zu verdanken haben, war am Anfang seiner Amtszeit gar nicht zu erwarten gewesen. Er konnte Nürnberg erwartungsgemäß nicht vor dem Abstieg retten und zu Beginn der Saison wurde er misstrauisch beäugt.

Hinzu kam, dass der FCN seinem Ruf als Skandalverein alle Ehre machte: Präsident Michael A. Roth gab unvermindert den absolutistischen Herrscher, Spieler revoltierten oder erregten die Aufmerksamkeit der Medien weil sie nach Niederlagen angeblich Zerstreuung in der Disco suchten, Manager Geenen bezeichnete die Mannschaft als „Abschaum“. Spätestens als Roth großspurig ankündigte, man wolle der FC Bayern der 2. Liga werden, schwante den Beobachtern nichts Gutes. Man weiß ja, was an der Isar gelegentlich so passiert: aufgeflogene Geheimverträge mit einem Medien-Mogul und eheliche sowie außereheliche Skandale der Protagonisten.

In Nürnberg kam es ein wenig anders. Als der Saisonauftakt nicht nach Wunsch verlief und der an sich eher pessimistische Club-Fan schon Horrorszenarien vom Absturz in die Regionalliga vor Augen hatte, erklärte ein aufgebrachter Michael A. Roth: „Nach dieser Vorstellung muss ich sagen, ich habe eine Pistole samt Waffenschein und würde einigen am liebsten das Hirn durchpusten.“ Der Skandal war da – und irgendwie war das gut für Trainer Wolf. Denn dass das Team zu jenem Zeitpunkt nur 14. der Tabelle war, ging im Trubel um Waffenschein-Besitzer Roth unter. So konnte Wolf sich und die Spieler neu sortieren. Dabei verfolgte er das derzeit im deutschen Fußball durchaus modische „Jugend-Konzept“. Wie ein Puzzle hat Wolf die Mannschaft zusammengefügt. Das Teil „Ciric“ (Mitdreißiger mit viel Erfahrung und Torinstinkt, aber nachlassender Kondition) etwa passt perfekt zum Teilchen „Marek Mintal“ (Spielgestalter mit Torriecher). Dazu kommt noch das Puzzlestück „Dominik Reinhardt“ (Abiturient im Abwehrraum, der sich dort meist hervorragende Noten verdient). Gelegentlich muss Wolf auch die Teile austauschen, etwa Ciric ersetzen durch Stefan Kießling (jugendlicher, wirbelnder Angreifer). Ciric akzeptiert das und soll in der nächsten Saison, wenn er nicht mehr aktiv spielt, Fanbetreuer werden.

Aus dem Puzzle hat sich mittlerweile ein stimmiges Bild ergeben. Wenn auch der Club im heimischen Stadion stärker auftrumpft als auswärts, das System aus erfahrenen Kräften und jungen Talenten funktioniert. Im Verein herrscht mittlerweile eine Ruhe, die angesichts der vergangenen lebhaften Jahre fast schon ungewöhnlich ist. Selbst vom Präsidenten ist wenig zu hören, und über mögliche Spielerverpflichtungen und Vertragsverlängerungen redet mittlerweile Martin Bader, der als Sportdirektor verpflichtet wurde und deutlich zur Professionalisierung des Umfeldes beitrug.

Wolfgang Wolf registriert zufrieden: „Wir sind eine gefestigte Truppe. Es gibt keine Nachlässigkeiten oder Störfeuer.“ Ob das Puzzle in der 1. Liga auch noch ein gutes Bild abgibt oder ob hier und da Teile nicht mehr passen wollen, wird sich zeigen müssen.