STROM WIRD IMMER TEURER, DOCH KAUM WECHSEL ZU NEUEN ANBIETERN
: Verbraucher wollen keine Wende

Wer sich mit der Energiewende befasst und auf freie Auswahl unter verschiedenen Stromanbietern setzen will, darf mit einem nicht rechnen – mit dem Verbraucher. Preiswerter sollte es werden? Jeder Haushalt zahlt in diesem Jahr durchschnittlich 50 Euro mehr für seinen Strom als noch vor drei Jahren. Andererseits sind die Gewinne der Stromkonzerne explodiert. Für die Verbraucherschützer in Sachen Energie beste Gründe, zu einem Wechsel des Stromversorgers zu raten. Doch dem Hinweis folgt kaum jemand – daran können auch aufwändige Werbekampagnen nichts ändern: Ganze 2 Prozent der deutschen Haushalte haben den Stromanbieter gewechselt.

Die entsprechende Umfrage wurde vom Verband Kommunaler Unternehmen in Auftrag gegeben, in dem sich auch die Stadtwerke organisiert haben. Doch von den wenigen Überläufern auf eine hohe Zufriedenheit der Kunden zu schließen ist Unfug. Haupthindernis für die Einsicht in die Notwendigkeit eines Wechsels ist die Abrechnungsmethode: Zumeist wird per Dauerauftrag gezahlt und nur einmal pro Jahr der Wohnungsstrom nachkalkuliert. Von der Betriebskostenabrechnung fürs Haus ganz zu schweigen – wobei hier die Stadtwerke an den komplexen Zahlenreihen unschuldig sind, die uns erklären, wie Kosten der Hausbeleuchtung auf einen Fünf-Zwölftel-Anteil der eigenen Wohnung umgelegt werden.

Die meisten zahlen lieber, als sich damit zu befassen. Jeder kennr den Benzin-, niemand den Strompreis. Elektrische Energie ist das unsinnlichste Handelsgut, das es überhaupt gibt: An der Glühbirne kann man nicht erkennen, ob sie gerade mit yellowgelbem Atomstrom, einer Lieferung des E.ON-Großkonzerns oder mit grasgrüner Naturenergie Licht spendet. Offenbar befassen sich nicht mehr als 2 Prozent der Verbraucher mit den Kosten oder mit der Stelle, wo Strom tatsächlich unterscheidbar ist: am Anfang der Kette – bei seiner Erzeugung. Besonders zur Begrenzung des Atomstroms kommt es weiterhin auf die Energiepolitik an: Das mächtigste Wort hat nicht der Verbraucher, sondern der Wähler. NICK REIMER