Gaddafi hat seinen Auftritt in Brüssel

Der Gast aus Nordafrika zieht demonstrierende Freunde und Gegner an. Sein Besuch ist auch eine Genugtuung für EU-Kommissionspräsident Prodi. Libyen soll nicht mehr als Transitland für Flüchtlinge dienen, verspricht der Revolutionsführer

AUS BRÜSSELDANIELA WEINGÄRTNER

Muammar al-Gaddafi, der begabte Selbstinszenierer, kam gestern in Brüssel voll auf seine Kosten. Demonstration und Gegendemonstration zu Ehren des umstrittenen libyschen „Revolutionsführers“ hätten den Hintergrund für ein Musical abgeben können: Direkt vor dem Gebäude der EU-Kommission hatten sich Menschen aus allen Teilen des afrikanischen Kontinents versammelt, um gekleidet in Gaddafi-Shirts und bestückt mit Gaddafi-Fotos dem Helden der panafrikanischen Bewegung zu huldigen.

In deutlich größerem Abstand zum Kommissionsgebäude lenkte die belgische Polizei die Gegendemonstranten vorbei. Hier sammelten sich die libyschen Emigranten – eine deutlich kleinere Gruppe als die Jubelfeier nebenan. Auf Plakaten prangerten sie politische Unterdrückung und Zensur in ihrem Heimatland an.

Für Kommissionspräsident Romano Prodi bedeutet Gaddafis Besuch eine kleine Genugtuung am Ende seiner eher glücklosen Brüsseler Amtszeit. Denn wegen eines Telefonats, in dem er den Libyer zur EU-Visite einlud, hatte Prodi im Januar 2000 zum ersten Mal negative Schlagzeilen kassiert – die Offerte war mit den EU-Regierungen nicht abgesprochen gewesen.

Gestern konnte er stolz das Ergebnis seiner diplomatischen Arbeit der letzten fünf Jahre präsentieren. In einer frei vorgetragenen Erklärung erinnerte Gaddafi daran, dass Libyen in der Vergangenheit Freiheitskämpfer für die gesamte Dritte Welt ausgebildet habe: „Das war unsere Pflicht, wenn das Terrorismus war, dann war auch Nelson Mandela ein Top-Terrorist.“ Künftig wolle Libyen aber als Brücke zwischen Europa und Afrika fungieren. Erneut bekräftigte Gaddafi den Verzicht auf Massenvernichtungswaffen und bot Zusammenarbeit bei der Öl- und Gasförderung an.

Am Ende ließ er durchschimmern, dass er sehr genau verstanden hat, was die EU als Gegenleistung dafür erwartet, dass Libyen künftig in den so genannten Barcelona-Prozess einbezogen werden soll und Fördermittel aus dem Meda-Programm für die Mittelmeer-Anrainer erhalten wird: Er werde nicht länger zulassen, dass Libyen von den Flüchtlingen aus dem Süden Afrikas als Transitland nach Europa benutzt werde.

Doch den Zöllner für die EU wolle er nicht allein spielen. Gemeinsam mit der Europäischen Union müssten in der Wüste Projekte aufgebaut werden, die den Flüchtlingen eine Zukunft in Libyen ermöglichen sollen: „Dazu ist der Barcelona-Prozess da.“ Die afrikanischen Gaddafi-Fans mit ihren Trommeln und T-Shirts draußen vor dem Kommissionsgebäude werden diese Botschaft mit gemischten Gefühlen aufnehmen.