„Es gibt sehr viele leise Gespräche“

Kulturpolitikerin Adrienne Goehler über die Untergrund-Kampagnen für eine Wahl Gesine Schwans zur Bundespräsidentin und Nachfolgerin von Johannes Rau am 23. Mai. Diesmal brauche es einen anderen Ansatz als nur die Forderung „Frau nach Rau“

INTERVIEW HEIDE OESTREICH

taz: Bei der vorigen Bundespräsidentenwahl haben Sie gefordert, Herr Rau solle die Kandidatur einer Frau überlassen. Jetzt ist Gesine Schwan nominiert und hat sogar eine kleine Chance. Warum gibt es nun keine lautstarke Unterstützung von Frauen?

Adrienne Goehler: Da kommt noch was, ein offener Brief an die Wahlleute ist beispielsweise schon im Umlauf. Insgesamt haben die Frauen aber wohl den Eindruck, dass man weniger auf der Ebene der symbolischen Ordnung agieren muss. Gerade weil Gesine Schwan eine echte Kandidatin ist und nicht nur eine Zählkandidatin.

Müsste man nicht gerade deshalb eine Kampagne machen? Weil es nur noch dieser etwa zwanzig Stimmen bedarf?

Die Kampagne sieht bei diesen Verhältnissen vielleicht anders aus. Es gibt sehr viele leise Gespräche auf den unterschiedlichsten Ebenen.

Wer spricht mit wem?

Es wird um die Stimmen der Frauen geworben. Und innerhalb des Oppositionslagers gibt es auch Menschen, denen wichtig ist, dass der Bundespräsident nicht nur Wirtschaftskompetenz vermittelt.

Ist das auch eine Folge davon, dass die Kampagne „Frau statt Rau“ nicht erfolgreich war?

Nein, damals wollten wir öffentlich darauf aufmerksam machen, dass man dieses Amt nicht immer an altgediente Parteigenossen vergeben muss. Das höchste Staatsamt sollte etwas anderes verkörpern. Dafür war die Öffentlichkeit wichtig. Diesmal ist die Konstellation anders. Gesine Schwan ist interessant, weil sie dieses andere verkörpert: Sie ist nicht nur eine Frau, sondern zeigt auch einen eigenen, wohltuenden Zugang zur Politik.

Aber die Stimmen fehlen trotzdem. Müsste da nicht doch Aktion her?

Es bewegt sich eher etwas, wenn man unterhalb der Kampagnen-Ebene ansetzt.

Vielleicht erscheint es auch Frauen nicht mehr so dringlich, dass ein hohes Amt an eine Frau geht? Schließlich gibt es schon Angela Merkel.

Viele Menschen, mit denen ich rede, meinen nicht schlicht: Frau muss sein. Und deshalb wird auch nicht durchgezählt, ob da schon genug Frauen in wichtigen Positionen sind. Sie wollen, dass dieses Amt von einer Person bekleidet wird, die für ein breites Spektrum an Themen steht und aus dem immer wichtiger werdenden Feld der Wissenschaft kommt. Jemand, der mehr repräsentiert als die Fortsetzung der Partei, die gerade mal die Mehrheit hat. Wenn es dann auch noch eine Frau ist, umso besser. Gesine Schwan ist beides. Das ist das Schöne.