„Milizen müssen sich aus Bunia zurückziehen“

Aldo Ajello, der EU-Beauftragte für die Demokratische Republik Kongo und das Afrika der Großen Seen, ist optimistisch über den EU-geführten Militäreinsatz in der kongolesischen Stadt Bunia – sieht aber auch Grenzen: „Ein politisches Problem hat keine militärische Lösung“

taz: Was ist der Stand der Truppenstationierung in Bunia?

Aldo Ajello: Seit 15. Juni sind genug Soldaten in Bunia, dass die Truppe operationsfähig ist. Seitdem ist sie für die Sicherheit der Stadt zuständig. Die Stationierung dürfte um den 15. Juli abgeschlossen sein.

Könnte die Truppe in Kämpfe verwickelt werden mit der Hema-Miliz UPC (Union kongolesischer Patrioten), die Bunia kontrolliert? Die UPC war ja nicht begeistert von der Truppenstationierung.

Ich sehe keine Gefahr von Kämpfen zwischen den Milizen und der multinationalen Truppe. Ich sehe eher die Gefahr von Kämpfen zwischen der UPC, die jetzt da ist, und den Lendu-Milizen im Umland. Ziel dabei wäre nicht, die multinationale Truppe zu behindern, gegen die niemand mehr etwas hat; sondern sich zu positionieren, bevor die Truppe vollzählig ist, um als Herr der Stadt anerkannt zu werden. Um dieses Spiel zu umgehen, haben wir eine sehr entschlossene Haltung in Fragen der Legitimität. Wir erkennen nur die Organe an, die im Rahmen der bei früheren Friedensvereinbarungen gebildeten „Ituri-Friedenskommission“ entstanden sind.

Aber es gab zum Beispiel von Ruanda politische Vorbehalte gegen die Truppe und vor allem gegen ihre Führung durch Frankreich.

Das stimmt. Aber sobald klar war, dass dies eine multinationale Truppe ist, autorisiert vom UN-Sicherheitsrat, mit einer zeitlich und räumlich begrenzten Mission und unter Leitung der EU und nicht Frankreichs, hat Ruanda seine Bedenken fallen gelassen. Die UPC auch. Seit Beginn der Truppenstationierung ist sie kooperationswillig.

Müssen die Milizen in Bunia entwaffnet werden?

Die Truppe hat dafür kein Mandat. Ihr Mandat ist, die Zivilbevölkerung zu schützen. Kann man die Zivilbevölkerung schützen und zugleich bewaffnete Kräfte in der Stadt lassen? Ich glaube nicht. Ich habe darüber mit dem Kommandanten der Truppe gesprochen, und er ist derselben Meinung. Also muss man UPC-Führer Thomas Lubanga klar machen, dass seine Miliz sich zurückziehen muss. Schon im geltenden Waffenstillstand für Bunia vom 15. Mai ist die Kantonierung der Milizen vorgesehen. Man muss das umsetzen. Wer in Bunia bleiben will, soll bleiben, aber ohne Waffen. So wird die Stadt faktisch entmilitarisiert, auch wenn das nicht im Mandat der Truppe steht.

Das Mandat ist auf die Stadt Bunia und den Flughafen beschränkt. Wenn die Milizen außerhalb der Stadt Zivilisten massakrieren, lässt man sie dann gewähren?

Man kann das Mandat nicht überschreiten. Aber wir haben Abschreckungsmöglichkeiten. Die Delegationen von EU und UNO haben klar gemacht, dass gegen alle Kriegsverbrecher schnelle Verfahren vor dem Internationalen Strafgerichtshof eingeleitet werden. Und wenn es Massaker gibt, wird man wissen, wer verantwortlich ist und welche Länder die Verantwortlichen unterstützen. Die multinationale Truppe wird erhebliche Luftstreitkräfte haben und damit ein effektives Überwachungs- und Verifizierungssystem.

Nach UN-Angaben hat Uganda die Milizen in Ituri aufgerüstet, Ruanda soll die UPC unterstützen, und Kongos Regierung soll Truppen in der Nähe zusammengezogen haben. Üben Sie Druck auf diese drei Regierungen aus?

Eine solche Lage war der Ausgangspunkt des Truppeneinsatzes. Es gab im Mai Kämpfe um Bunia mit dem Risiko einer Eskalation durch die Truppenentsendungen aus Kinshasa. Wenn Kongos Regierung damals eingegriffen hätte, dann hätten Kongos RCD-Rebellen reagiert und es hätte einen direkten Krieg zwischen Uganda und Ruanda geben können. Das hätte den kompletten Zusammenbruch des Friedensprozesses bedeutet. Wegen des starken internationalen Drucks haben sich die kongolesischen Regierungstruppen dann doch nicht bewegt. So hat die Stationierung der multinationalen Truppe jenseits des anerkannten Wertes, ein humanitäres Desaster zu beenden, ein wichtiges politisches Ziel: den gefährdeten Kongo-Friedensprozesses zu neuem Leben zu erwecken, damit der Kongo nicht in ein völliges Chaos abgleitet. Die Stationierung der Truppe hat dieses Abgleiten gestoppt. Jetzt müssen die betroffenen Länder und Kräfte die multinationale Truppe unterstützen und die Öffnung humanitärer Korridore ermöglichen.

Damit keht aber noch kein Frieden im Kongo insgesamt ein.

Es stimmt, das politische Grundproblem ist damit nicht gelöst. Wenn Kongos Friedensvereinbarungen nicht umgesetzt werden, ist der Truppeneinsatz zwar gut, weil er die Blutungen stoppt, aber das Pflaster kann sich jederzeit lösen und man steht wieder am Ausgangspunkt. Ein politisches Problem hat keine militärische Lösung. Die militärische Lösung dient dazu, die Verschlimmerung der Lage zu verhindern. Die politische Lösung besteht in der Einigung zwischen den Kriegsparteien und der Bildung einer Regierung der Nationalen Einheit.

Frankreich will seine Truppen zum 1. September wieder abziehen. Ist es sicher, dass bis dahin eine genügend starke UN-Ablösung vorhanden sein wird?

Der UN-Sicherheitsrat hat sich verpflichtet, bis zum 1. September eine ausreichend effektive UN-Truppe zu stationieren, um die multinationale Truppe abzulösen. Aus New York hören wir, dass sie nicht wie die multinationale Truppe ein Mandat zum Schutz der Zivilbevölkerung unter Kapitel VII der UN-Charta haben wird (Friedensschaffung mit Mandat zur Gewaltanwendung). Aber wenn sie anders als die bestehende Blauhelmmission trotzdem kampfbereit wäre, glaube ich, dass sie die multinationale Truppe ablösen kann.

INTERVIEW: FRANÇOIS MISSER