debatte: nordrhein-westfälische kulturpolitik trotz leerer kassen
: Kultur braucht mündige Bürger statt staatlicher Bevormundung

Steinbrücks entlarvende wie geschichtslose Oberflächlichkeit hilft keinem weiter, am wenigsten unserem Land

Krisenzeiten sind Zeiten, in denen Entscheidungen getroffen werden müssen. Am besten die richtigen. Die Kulturhaushalte stecken in einer Krise. Die Landesausgaben für Kultur sind an einem Tiefpunkt angelangt. Sie betragen 0,27 Prozent des gesamten Haushaltsvolumens. So wenig hat NRW seit zehn Jahren nicht mehr für Kultur ausgegeben. Wo – bitte schön – kann man da überhaupt noch sparen? Wer jetzt noch meint, durch Einsparungen bei der Kultur den Etat sanieren zu können, hat sich aus der Wirklichkeit verabschiedet.

Der falsche Weg ist es, sich als Land aus der Förderung von Bibliotheken und Musikschulen stillschweigend fortzustehlen und sie den Kommunen aufs Auge zu drücken. So geraten die immer mehr in die Klemme und das Land verabschiedet sich von seinem Bildungsauftrag. Ebenso falsch ist der technokratische Hinweis von Ministerpräsident Peer Steinbrück, das Abendland gehe schon nicht unter, wenn im Kulturbereich gekürzt werde. Diese entlarvende wie geschichtslose Oberflächlichkeit hilft keinem weiter, am wenigsten unserem Land. Auch Improvisationskunst auf höchstem Niveau, wie sie Karsten Rudolph (SPD) an dieser Stelle als Markenzeichen rot-grüner Kulturpolitik unterstreicht und gleich wieder in Frage stellt, führt nicht weiter. Auf der Grundlage von Überraschungen kann niemand Kulturpolitik planen noch gestalten.

Die Zeit ist reif dafür, Bürgersinn zu wecken. Der Staat hat in den letzten Jahren immer mehr Aufgaben an sich gezogen und dem Bürger immer mehr Verantwortung entzogen. Entmündigung nennt man so etwas. Ernst gemeinte Kulturpolitik macht Schluss damit – sie führt den Bürger aus dieser aufgedrückten Unmündigkeit heraus. Wir müssen bürgerliches Engagement fördern und wecken. Bei uns kommt für 90 Prozent der Kulturausgaben die öffentliche Hand auf, nur 10 Prozent werden von privaten Geldgebern beigesteuert. In den USA ist das genau umgekehrt. Die Bewerbungen um den Titel Kulturhauptstadt Europas zeigen, wie man Menschen dazu bewegen kann, sich für die Kultur zu engagieren. Ob Essen, Köln oder Münster – überall erklären sich Tausende von Kulturbegeisterten bereit dazu, ihren Teil zum Projekt beizutragen. Kultur ist eben nicht (nur) Sache der Verwaltung, sondern Sache aller mündigen Bürgerinnen und Bürger. Dabei soll das private Engagement das öffentliche nicht ersetzen, sondern ergänzen. Die Zeit ist außerdem reif dafür, den Verwaltungsdschungel des Landes zu lichten und die rechtlichen Rahmenbedingungen zugunsten größerer Eigenständigkeit und privaten Engagements zu schaffen. Immer mehr Verwalter verteilen immer weniger Geld. Strukturen überlagern die Kunst. Das muss ein Ende haben. Wir sollten mutig daran gehen, öffentliche Kultureinrichtungen wie Museen in andere Rechtsformen umzuwandeln. Ich freue mich, dass das nun auch das Kulturpapier der SPD-Kulturinitiative fordert, obwohl Rot-Grün entsprechende Anträge der CDU torpediert hat. Wo mehr Staatsferne ist, da wird der mündige Bürger seine Chance ergreifen.

RICHARD BLÖMER