Die Wurzel trägt ihn nicht mehr

Mit 60 Jahren ist Ekkehard Wruck gestorben. Der frühere CDU-Abgeordnete warb im Wahlkampf mit Bibelzitaten

Gelbe Rosen auf dem Holzsarg, davor ein gerahmtes Foto. „Er hat sich als Christ bewährt“, sagt der Pfarrer im Ruhlebener Krematorium über den Mann unter den Blumen. Der Christlich-Demokratischen Union aber ging immer mehr gegen den Strich, wie ihr Parteifreund Ekkehard Wruck zunehmend seinen Glauben in die Politik brachte. Für den langjährigen Wilmersdorfer CDU-Abgeordneten, der im Wahlkampf Bibelsprüche zitierte, war zu seinem Lebensende hin in der CDU kein Platz mehr. Als er vor zwei Wochen mit 60 an Krebs starb, war er schon dreieinhalb Jahre nicht mehr Mitglied der Union.

Sein Parteiaustritt Ende 1999 hat den Landesvorstand überlegen lassen, wie er des Mannes gedenken sollte, der zwar 28 Jahre der CDU angehörte, aber dort viele vergrätzte, zu dem der Kontakt abgebrochen war. Der Vergleich mit der FDP und Möllemann kam auf. Im Krematorium lagen gestern Kränze von Fraktion und Partei. Auch eine Reihe Abgeordnete kam, darunter Christoph Stölzl als Parlamentsvize und CDU-Landesschatzmeister Ingo Schmitt, Kreischef in Charlottenburg-Wilmersdorf. Reden aus ihren Reihen gab es in der Trauerhalle nicht.

Generalsekretär Gerhard Lawrentz verschwieg gegenüber der taz nicht, dass die CDU nicht nur ein kleines Problem mit Wruck hatte. Uneinbindbar in ein Gesamtkonzept sei er zuletzt gewesen. Und deshalb erinnert er sich lieber an ihn als „eine schillernde Figur in der Politik, ein großes rednerisches Talent“. Einen weiten Weg sei Wruck gegangen, „vom Linksliberalen bis hin zu einer sehr konservativen Einstellung am Ende seines Lebens“.

„Sowjetisch Wilmersdorf“ hieß in den 80ern Wrucks Kreisverband, den er erstmals von 1979 bis 1983 führte. Der promovierte Jurist opponierte mit der „Reformgruppe“ gegen die „Betonfraktion“ um den damaligen Landeschef Eberhard Diepgen, den jüngst ebenfalls an Krebs verstorbenen Peter Kittelmann und Klaus Landowsky.

Wruck, nur dann nicht in feinem Zwirn, wenn er in Motorradkluft auf seiner Maschine saß, konnte dabei weniger fein austeilen: Diepgen nannte er 1992 öffentlich „Lusche“ und forderte seinen Rücktritt als Regierender. Im Parlament nahm er 1991 Hilde Schramm, Ex-Abgeordnete der Alternativen Liste, als Tochter von Hitler-Architekt Albert Speer in Sippenhaft und beschimpfte sie als „Brut von Naziverbrechern“. Seine Fraktion sprach von einem „nicht angängigen Verhalten“, SPD, Grüne, PDS und FDP forderten Konsequenzen von der Union.

Doch Wruck blieb am Ball, blieb Abgeordneter wie seit 1979, wurde sogar 1995 nochmals für vier Jahre Kreischef. Zunehmend aber sei er „schrullig“ geworden, erzählen Parteifreunde. Mit dem Slogan „Für ein christliches Preußen“ warb er für die Fusion mit Brandenburg. Im Wahlkampf 1999 plakatierte er „Die Wurzel trägt dich“, ein Zitat aus der Bibel. Die CDU-Landesspitze ertrug das nicht, sie ließ überkleben, und Wruck galt als „Wurzel-Wruck“. In seinem Wahlkreis hingegen konnte er seine absolute Mehrheit noch ausbauen.

Zu dem Zeitpunkt aber war Wruck schon innerparteilich gescheitert. Nur zwischenzeitlich hatte er den Erfolg, die von seinem Gegner Landowsky geförderten Wilmersdorfer CDU-Hoffnungen Monika Grütters und Peter Kurth um Mandate zu bringen. Für seinen Parteiaustritt, dem bis 2001 zwei Jahre als fraktionsloser Abgeordneter folgten, griff er wieder zu Luther: „Aber, wenn es nun einmal nicht anders sein kann, ziehen wir es vor, im Unfrieden dieser Zeit zerstoßen zu werden, fröhlich in der Gnade Gottes.“ STEFAN ALBERTI