der rest ist … schweiger von HARTMUT EL KURDI
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Vermutlich sind es die letzten Überbleibsel meiner christlichen Erziehung, die mich tief in meinem Seelenkabuff vermuten lassen, dass jeder Mensch irgendeinen positiven Zweck erfüllt. So ist Sinead O’Connor bekanntermaßen nur auf die Welt gekommen, um dereinst Kris Kristofferson einen großen Satz sagen zu lassen.

Das geschah dann auch im Jahr 1992, als sich das zum tausendjährigen Bob-Dylan-Platten-Jubiläum im „Madison Square Garden“ versammelte Besser-Verdiener-Publikum als kollektive Arschgeige outete und die kleine irre Irin ausbuhte, bloß weil sie kurz zuvor im US-Fernsehen ein Bild vom Papst zerrissen hatte. Frau O’Connor stand verstört ob des ihr entgegenschlagenden Hasses, mit Wuttränen kämpfend vor dem tobenden Mob – und da tat Kristofferson etwas Bezauberndes. Er nahm die Nervensäge in den Arm und sagte leise, aber für alle hörbar: „Don’t let the bastards get you down!“ Und dann bellte Sinead O’Connor trotzig ein Bob-Marley-Lied in die Menge. Ja, und für diesen schönen Moment hat es tatsächlich sie gebraucht. Manchmal muss man eben warten, bis man die Begründung für eine Existenz geliefert bekommt.

Lange habe ich mich gefragt, was so was wie Til Schweiger soll? Alles, was dieser Mann machte, schien mir von jedem gut gewachsenen Lastwagenfahrer erledigt werden zu können. Gerade gestern schoss mir die Schweiger-Sinnfrage wieder durch den Kopf, als ich in einer dem aktuellen Spiegel beigelegten „Peek & Cloppenburg“-Werbung blätterte, in der Schweiger … ja, wie soll man das nennen: Anziehsachen anhat und Männlichkeit vortäuschend in die Gegend grimassiert? Ja, doch, nee … – mehr ist das nicht. Und da erinnerte ich mich plötzlich daran, dass Til uns den Grund für sein Hiersein ja bereits verraten hat.

In den Neunzigerjahren spielte er 26 Folgen lang den Assistenten von Hannelore Elsner in der Krimiserie „Die Kommissarin“. Und in dieser Funktion tat er viel Gutes. Hannelore Elsner hingegen tat, was sie immer tut: Die Augen auf einen imaginären Horizont gerichtet, hauchte sie im tiefgründelnden Existentialisten-Sound Banalitäten in die Kamera, setzte sinnlose Pausen, walzte jede Endsilbe schamlos aus und ermutigte damit Tausende von Schauspielschulabsolventen, ihre prätentiöse Bühnenartikulation weiterhin für Deutsch zu halten. Ansonsten gab sie – auch das kennt man von ihr seit Jahren – den ältlichen lasziven Backfisch und bewies damit, dass Sex-Appeal nicht zwangsläufig dadurch entsteht, dass man sich selbst wahnsinnig scharf findet.

Und hier kommt Til Schweiger ins Spiel: Durch sein undeutliches Gezischel und seine Unfähigkeit, einem Satz auch nur die Anmutung von Sinn zu geben oder das leere Gesicht mit mehr als einem sonnigen „Hey, ich bin der Til“-Blick zu füllen, setzte er einen befreiend schlichten Kontrapunkt zur Bedeutungshuberei seiner Partnerin. Schweigers offensichtliches Nichts neutralisierte die monströse Inhalts- und Erotikbehauptung von „La Elsner“ auf milde, versöhnende Weise. Dafür muss man ihm heute noch danken und dennoch fragen: Wo, Til, warst du, als wir dich wirklich brauchten? Wo warst du in dem Spielfilm „Die Unberührbare“? Wo?