Die missverstandene Rassismus-Fachfrau

Die deutsche Juristin Beate Winkler beobachtet für die EU aus Wien Rassismus und Fremdenfeindlichkeit

Beate Winkler fühlt sich häufig missverstanden. Das liegt an ihrem Job. Die deutsche Juristin leitet die Europäischen Stelle zur Beobachtung von Rassismus und Fremdenfeindlichkeit (EUMC) mit Sitz in Wien. Dieses Büro wurde im Jahre 1998 eingerichtet und wird normalerweise nur einmal im Jahr von der Öffentlichkeit wahrgenommen, nämlich im Spätherbst, wenn der Jahresbericht veröffentlicht wird, der fremdenfeindliche und antisemitische Phänomene in der Europäischen Union auflistet, aber auch deren Gründe analysiert.

Vergangenen November gab es einen handfesten Skandal, als verbreitet wurde, die EUMC halte eine brisante Studie unter Verschluss, weil darin nachzulesen sei, dass antisemitische Exzesse nicht nur von Neonazis ausgingen, sondern auch von jungen Muslimen und linksextremen Globalisierungskritikern. Jüdische Organisationen warfen der EUMC damals Zensur vor. Beate Winkler verteidigte das Zurückhalten des Papiers damit, dass diese Erkenntnisse noch nicht ausreichend belegt seien. Inzwischen ist die Studie veröffentlicht und eine der Diskussionsgrundlagen für die Antisemitismuskonferenz der OSZE, die gestern in Berlin begann.

Beate Winkler steht nicht nur zum Inhalt der umstrittenen Studie, sondern rief zu gemeinsamen Aktionen auf: „Unser Engagement wird an unseren Taten und nicht an unseren Worten gemessen.“ Die EUMC werde die Umsetzung ihrer Empfehlungen genau überwachen.

Mit der vor 54 Jahren in Dresden geborenen Juristin hatte die EU eine Expertin gefunden. 14 Jahre lang hatte sie dem Stab der deutschen Ausländerbeauftragten angehört. Außerdem hat sie mehrere einschlägige Bücher herausgegeben.

Noch bevor die Beobachtungsstelle in vollem Umfang funktionsfähig wurde, machte sich Beate Winkler bei den Gastgebern unbeliebt. Sie hatte es gewagt, die Koalition der ÖVP mit der notorisch fremdenfeindlichen FPÖ zu kritisieren. Darauf ortete die die ÖVP Ungereimtheiten in der Buchführung der Menschenrechtsbeobachter. Zur offiziellen Eröffnungsfeier der EUMC in der Wiener Hofburg wurden Vertreter der Regierung nicht eingeladen. Benita Ferrero-Waldner als Außenministerin setzte sich dennoch unter die Ehrengäste.

Inzwischen hat sich das Verhältnis der EUMC zur österreichischen Regierung normalisiert. Beate Winkler konnte glaubhaft machen, dass ihre Beobachtungen nicht in erster Linie den Zuständen in Österreich gelten. Sie tritt leidenschaftlich für mehr Offenheit gegenüber dem und den Fremden ein: „Durch die Auseinandersetzung mit dem anderen erfahren wir eine Veränderung und urteilen in der Regel nicht mehr nach unseren ursprünglichen Wertmaßstäben. Neues kann entstehen. Dabei ist die Zusammenarbeit von einheimischer Mehrheit und zugewanderten Minderheiten, von Migrantinnen und Migranten bei der Entwicklung von Konzeptionen, Strategien und Projekten grundlegende Voraussetzung.“ RALF LEONHARD