Unsere täglich Subvention gib uns heute

Egal, ob im Flugzeug oder in der U-Bahn, im Bibelkreis oder in der Oper: Wir sind alle Subventionsempfänger – und das öfter, als wir glauben

BERLIN taz ■ Nehmen wir eine stinknormale deutsche Familie: Vater Steffen hat gerade ein Dachgeschoss ausgebaut. Jeden Morgen tätschelt er seinen beiden Söhnen glücklich den Kopf: Jonas, 4, und Tim, 8, steuern allein in den kommenden acht Jahren zusammen 12.272 Euro aus der Eigenheimzulage bei, die der Staat für zwei Kinder zahlt. Dazu kommen noch einmal 10.224 Euro Grundförderung.

Steffens Frau Anne schläft noch. Sie war gestern – wie jede Woche – in der Oper. Zum Glück kommt sie schon für 67 Euro an gute Plätze. Das geht nur, weil der Staat zwischen 75 und 238 Euro pro Karte zuschießt. Steffen steigt mit Jonas in die U-Bahn. Die wird von Stadt und Fiskus gesponsert. Allein die ermäßigte Mehrwertsteuer auf die Monatskarte kostet den Staat ein halbe Milliarde Euro jährlich. Steffen bringt seinen Sohn in die Kita. Auch die wird subventioniert.

Anne ist inzwischen aufgestanden und steigt in ihren Wagen. Sie fährt 35 Kilometer zur Arbeit. Da bringt die Entfernungspauschale bei ihrem Grenzsteuersatz von rund 30 Prozent jedes Jahr gut 1.000 Euro Steuerersparnis. Auf dem Weg beobachtet sie die Trecker, die mit subventioniertem Agrardiesel über die Äcker fahren.

Annes Arbeitsplatz ist sicher. Sie ist Personalchefin bei einem Verpackungshersteller. Der Firma geht es nicht schlecht. Ihr Boss profitiert von dem billigen Baugrundstück, das die Gemeinde dem Unternehmen für die Erweiterung fast geschenkt hat. Weil das Werk in einer strukturschwachen Region angesiedelt ist, stehen Regionalfördermittel vom Staat und aus EU-Töpfen bereit. Zudem ist das für die Produktion der Folien genutzte Erdöl von der Mineralölsteuer befreit, was dem Verpackungshersteller ebenfalls zugute kommt.

Steffen ist wieder zu Hause und schmeißt die Waschmaschine an. Eine Wäsche kostet den Fiskus ein Cent an Subvention zur Verstromung der heimischen Steinkohle (2002 waren es insgesamt knapp drei Milliarden Euro). Nachmittags geht Steffen schwimmen mit seinem Sohn. Jonas will ins Privatbad, wegen der tollen Wildwasserrutsche. Doch Steffen schleift ihn ins Stadtbad. Weil die Kommune zuschießt, kostet der Eintritt pro Person vier Euro. Im Privatbad müsste Steffen neun Euro zahlen. Nach dem Schwimmen knurrt der Magen, Steffen kauft Fischbrötchen. Der Fiskus unterstützt diese Mahlzeit: Er hat die mittelständische Fischereifirma von der Gewerbesteuer befreit.

Jonas’ Opa Manfred ruft auf dem Handy an. Der pensionierte Eisenbahner meldet sich vom Urlaub auf Mallorca. Den könnte er sich vielleicht nicht mehr leisten, wenn der Bund die Bahn und ihre Pensionskassen nicht jährlich mit einem Milliardenbetrag unterstützen würde. Den billigen Flug in sein Feriendomizil lässt sich Manfred ebenfalls sponsern: Auf das Flugticket zahlt er keine Umsatzsteuer, und das verflogene Kerosin schlägt im Flugpreis ebenfalls mineralölsteuerfrei zu Buche.

Anna geht – wie jeden Mittwoch – nach der Arbeit zum Bibelkreis. Wie gut, dass ihr Beitrag für die Kirche als Sonderausgabe steuerlich geltend gemacht werden kann. Vom Familieneinkommen von 75.000 Euro zahlt sie 1.115 Euro Steuern an die Kirche, abzüglich der Steuerersparnis kostet sie das aber nur 682 Euro.

Während sich der Babysitter um die Jungs kümmert, macht sich Steffen auf zum SPD-Ortsverein. Sein Herz gehört der Politik, nicht der Kirche. Der Fiskus hilft dabei den Parteien noch etwas mehr als dem Herrn: Von Steffens jährlichem Mitgliedsbeitrag an die Partei in Höhe von 1.200 Euro erstattet der Fiskus 600 Euro. MATTHIAS URBACH