Falludscha unter Dauerfeuer

Erneut schwere Angriffe auf sunnitische Hochburg. UN-Sonderbeauftragter Brahimi hält an Plan zur Machtübergabe im Irak fest. Sender ABC will Namen aller getöteten US-Soldaten verlesen

BAGDAD/NEW YORK dpa/afp/ap/taz ■ Ungeachtet neuer Vermittlungsversuche setzte die US-Armee gestern ihre Angriffe gegen die sunnitische Hochburg Falludscha fort. Die Besatzungstruppen griffen die Stadt mit Kampfflugzeugen und Artillerie an. Schwere Explosionen erschütterten die Stadt, wie Nachrichtenagenturen meldeten. Unterdessen befinden sich nach CNN-Angaben hochrangige irakische Würdenträger und Stammesführer auf dem Weg nach Falludscha, um erneut einen Waffenstillstand auszuhandeln.

Besorgt über die anhaltenden Kämpfe zeigte sich der UN-Sonderbeauftragte für den Irak, Lakhdar Brahimi. Dies äußerte er Dienstagnacht auf einer Sitzung des UN-Sicherheitsrates in New York. Dennoch will Brahimi bis spätestens Ende Mai eine Übergangsregierung für das Land gebildet haben. Diese Regierung werde aus einer Gruppe von Personen bestehen, „die von Irakern im ganzen Lande respektiert und akzeptiert werden“. Sie werde das Land bis zu den geplanten Wahlen im Januar 2005 führen, sagte Brahimi. Eine Konferenz mit mindestens 1.000 irakischen Vertretern solle einen „nationalen Dialog“ über die Zukunft des Landes führen. Vorab aber müsse die „sehr blutige Konfrontation“ in Falludscha beendet werden, andernfalls sei der politische Prozess gefährdet. Der Sicherheitsrat stellte sich einstimmig hinter Brahimis Vorschläge. Der UN-Botschafter der USA, John Negroponte, erklärte jedoch, dass die Befugnisse der Übergangsregierung nur begrenzt sein würden. Gesetze würde sie wohl nicht verabschieden können. Auch sollten alle Sicherheitskräfte weiterhin von den USA kontrolliert werden.

Bei den schweren Kämpfen um Falludscha waren am Dienstag sieben Menschen getötet worden. Bei Gefechten um die Schiitenhochburg Nadschaf waren in derselben Nacht 57 Iraker getötet worden, wie US-General Mark Kimmit erklärte. Nach Angaben des irakischen Gesundheitsministers starben seit Beginn der Kämpfe am 5. April in Falludscha 280 Menschen, darunter 24 Frauen und 30 Kinder.

Der Fernsehsender ABC will am Freitag die Namen aller im Irak getöteten US-Soldaten verlesen lassen. Der bekannte Nachrichtenmoderator Ted Koppel will dazu seine halbstündige „Nightline“-Sendung zur Verfügung stellen. Erst in der vergangenen Woche hatten Fotos der Särge von US-Soldaten für Aufregung gesorgt. Das Pentagon hatte derartige Aufnahmen strikt verboten. Von den insgesamt mehr als 520 getöteten US-Soldaten starben allein 115 im April.

Der Arzt Ibrahim Younis, der im Auftrag der Hilfsorganisation Médecins sans Frontières im Irak arbeitet, berichtet über eine aktuelle Reise nach Falludscha. „Ich hatte noch nie in meinem Leben eine solche Angst“, sagt der Arzt. Zurzeit sei eine Arbeit für internationale Hilfsorganisationen in der Stadt völlig unmöglich.

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