Kriegslüge mit Nachspiel

Die britischen Exminister Cook und Short beschuldigen Premierminister Tony Blair vor dem Irak-Ausschuss. Informationen seien zurückgehalten worden, um Kriegsfahrplan nicht zu gefährden

BERLIN taz ■ In Großbritannien und den USA wird die Kritik an den Informationen der Geheimdienste über irakische Massenvernichtungswaffen immer lauter. In London sagte gestern der ehemalige Außenminister Robin Cook als erster Zeuge vor dem außenpolitischen Ausschuss des Unterhauses aus. Der Ausschuss will Vorwürfen nachgehen, die Regierung habe die Bedrohung durch den Irak übertrieben, um den geplanten Krieg gegen den Irak leichter legitimieren zu können. Die Regierung habe „nicht das ganze Bild gezeigt“, sagte Cook gestern. Aus einer ganzen Fülle von Berichten des Geheimdienstes MI 6 habe sich die Regierung ausschließlich jene herausgesucht, die ihre Thesen stützten, sagte Cook.

Als die Regierung ihr umfangreiches Dossier über die angeblichen irakischen Massenvernichtungswaffen vorlegte, sei er verblüfft gewesen, wie dünn die Beweislage in Wirklichkeit war. „Genau besehen, enthielt es sehr wenig Informationen über irgendeine neue, alarmierende Bedrohung“, sagte Cook.

Cooks ehemalige Kabinettskollegin, die über den Irakkonflikt letztendlich doch noch zurückgetretene einstige Entwicklungshilfeministerin Clare Short, ergänzte, Premierminister Tony Blair habe „eine Serie von Halbwahrheiten, Übertreibungen und Beteuerungen, die nicht der Wahrheit entsprachen“, benutzt, um den Krieg zu rechtfertigen. Tony Blair hat dem Ausschuss inzwischen eine Absage erteilt – er sei lediglich bereit, vor dem hinter verschlossener Tür tagenden Geheimdienstausschuss zu erscheinen, hieß es.

In den USA hat der demokratische Senator Carl Levin unterdessen den Geheimdienst CIA beschuldigt, seine Informationen nicht rechtzeitig den UN-Waffeninspektoren zur Verfügung gestellt zu haben – offenbar, um den Kriegsfahrplan der Regierung nicht zu gefährden, seien konkrete Hinweise nicht weitergeleitet, stattdessen aber Übertreibungen veröffentlicht worden, sagte Levin, der die Demokraten im Streitkräfteausschuss des Senats vertritt.

Präsident George W. Bush reagierte auf die Vorwürfe ungehalten. Saddam Hussein sei eine Bedrohung gewesen, sagte Bush, und weiter: „Nun gibt es einige, die die Geschichte gern neu schreiben würden. Das sind diejenigen, die ich als revisionistische Historiker bezeichne.“

BERND PICKERT

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