Kleiner Großkampftag

Wuppertaler Autonome wollen am morgigen „Tag der Arbeit“ auf die Straße gehen – so viele wie früher werden es aber wohl nicht mehr sein

Ausschreitungen bei Demonstrationen zum 1. Mai hat es in Wuppertal schon lange nicht mehr gegeben

VON BORIS R. ROSENKRANZ

„Es hängt mit der politischen Brisanz zusammen“, weiß der Wuppertaler PDS-Sprecher Peter Oberhaus. Je mehr sich um den 1. Mai in der Politik abspiele, desto mehr Menschen gingen auch auf die Straße, um dagegen zu demonstrieren. Gemessen daran müssten die für den morgigen Samstag geplanten Demos zum „Tag der Arbeit“ ein voller Erfolg werden. Nicht nur hat die autonome Szene derzeit ein Ziel ihres Zorns im „Sozialraub“, sprich: in der so genannten Agenda 2010 gefunden, auch sehen sich die Linken kommunalen Problemen gegenüber. Unlängst erst wurde ein Teil der Stadtwerke an den Energie-Riesen RWE abgestoßen, was für einen Sprecher der Wuppertaler 1. Mai-Initiative Grund genug ist, den Nahverkehr in akuter Gefahr zu sehen: „Wenn die Privatisierung der Schwebebahn durchkommt“, sagt er, „dann fallen hier etliche Arbeitsplätze weg.“ Ganz zu schweigen davon, wie es danach um die Fahrpreise stünde.

„Sozialraub“ und Schwebebahn: Das sind die Schlagworte, die in diesem Jahr über der Demonstration schweben werden. Wichtige Themen in der Szene, möchte man denken – dennoch werden nur rund 400 Mitstreiter auf dem Platz der Republik erwartet. Eine geradezu mickrige Zahl, bedenkt man den Stellenwert, den die Wuppertaler Demo zum 1. Mai früher noch hatte.

Von 2.000 bis 3.000 Teilnehmern weiß Gustav Heyer zu berichten. Der Polizeisprecher sitzt seit 15 Jahren in der Pressestelle, hat etliche Demos live miterlebt. Warum die Szene nicht mehr so aktiv ist, erklärt der Polizist mit einem allgemeinen Rückgang der Demonstrationslust in der Bevölkerung. Und am 1. Mai sei „nur noch Berlin unverändert“. Soll heißen: Nur in Berlin wird es zur Sache gehen? „Ja“, sagt Heyer, „in den letzten Jahren war es total ruhig in Wuppertal.“ Ausschreitungen am 1. Mai, das sei „lange her“. Trotzdem werde er mit seinen Kollegen natürlich auch diesmal Präsenz zeigen, versichert Heyer.

Die linke Szene freut sich indessen auf polizeifreien Raum. Über 400 Polizisten seien nach Berlin abgezogen worden, weiß der Autonomen-Sprecher und kündigt „Überraschungen“ an. Wie immer werde es unangemeldete Kundgebungen und Plakat-Aktionen geben. Außerdem sei das Mikrofon offen für jeden: „Wer etwas zu sagen hat, der sagt etwas“, betont der Sprecher. Daher sei die autonome Demo auch „schneller, flotter und nicht so langweilig wie andere Demos an diesem Tag.“ Damit spielt er auf die offizielle Mai-Demonstration des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB) an, die sich bereits am Vormittag in Bewegung setzen und im Schauspielhaus mit einem Festakt enden wird. Dort wird auch Oberbürgermeister Hans Kremendahl (SPD) nebst anderer Polit-Prominenz erwartet.

Früher sind die Autonomen und der DGB noch gemeinsam auf die Straße gegangen – gemeinsam für gemeinsame Interessen. Doch die Ansichten gingen auseinander, so dass man 1985 beschloss, getrennte Wege zu gehen. Was nicht bedeutet, dass die Teilnehmer nicht auf beiden Demos tanzen. „Wir werden beim DGB Flugblätter verteilen“, sagt der Autonomen-Sprecher. Im Gegenzug kann er unter anderem mit der Unterstützung einiger PDS-Mitglieder rechnen, die nach der DGB-Demo auch zum Platz der Republik pilgern wollen. Die Wuppertaler Sozialisten pflegen nämlich weiterhin ihre Kontakte zu ihren „autonomen Freunden“, wie es PDS-Mann Oberhaus formuliert.