Die Sprache der Engel

Schon als MC Declaime klang er merkwürdig – jetzt singt Dudley Perkins seltsamen Soul

„Angel Code“. Es passiert selten, dass ein MC, sei er noch so wahr und Schule, sich in derart feminesken Metaphern beschreibt. Doch er sagt es wirklich, sitzt im Innenhof des Berliner Knaack, wird gleich auf die Bühne gehen und quetscht aus seinem von kruden Drogenmischungen aufgeweichten Hirn: „Die beste Beschreibung für das, was ich auf A Lil‘ Light mache, ist ‚Angel Code‘.“

Wenn der Mund wieder zu ist, bleibt auch der Rest verschlossen. Manchmal verzieht sich Declaimes Miene dann zu einem Lächeln, das so selbstverliebt wie arrogant wirkt. Schön, dass es mal wieder eine richtige Diva gibt, mit allem Drum und Dran. „Hab‘ ich ein Kopfweh“, klagt er an diesem Abend immer wieder.

Der MC aus Kalifornien hat nun sein Betätigungsfeld und damit auch sein Namensspektrum erweitert. A Lil‘ Light ist kein Rap-Album, wie es noch das 2001 veröffentlichte Andsoitissaid war. Darauf pflegte Declaime alias Dudley Perkins sein staubtrockenes, scheinbar der Kehle abgezwacktes Rhyming und lud ein zu Wanderungen durch ein Bewusstsein, das er selbst gerne als „ill“ bezeichnet.

Für seine neue Platte nun singt dieser Dudley Perkins oder betreibt zumindest etwas in der Art. Auf jeden Fall klingt es unglaublich. „Yo‘ Soul“ zum Beispiel: Da gelingt es ihm, den ganzen Track lang die Spannung zu halten, indem er immer wieder singt: „You can feel it in your body/You can feel it in your soul“. Eine Hauptstimme variiert den Singsang, während dahinter eine Kulisse aus Dudley-Stimmen schnauft, im Falsett mitsingt, dazwischen quasselt. Sind das jetzt Songs oder sind es Instrumentals? „Für mich“, sagt er, „klingt es wie Musik.“

„Flowers“ hieß Perkins‘ erste Single, von den britischen Break-Erbauern Lemon Jelly treffend als „eine sehr frühe Erykah Badu auf LSD“ beschrieben. Auch da umspielte Perkins seine Schaukelstuhl-Lines mit darüber, darunter und daneben liegenden Falsett- und Bass-Stimmen.

Hatte Declaime bisher öfter seine Produzenten gewechselt, so ließ er nun Madlib (Lootpack, Yesterday‘s New Quintet) das komplette Album produzieren. Eine bessere Wahl hätte er nicht treffen können: Sein Jugendfreund baute ihm butterweiche Pianos und frühlingshafte Flatter-Beats. Die Tracks schlieren und schluffen um Perkins‘ Stimme und tragen mit Wummer-Bässen den „Angel Code“ in die Höhe wie eine gute Thermik. Die Instrumentals gehören zur vielleicht aufregendsten Musik, die es derzeit zu hören gibt. Die Platte klingt schließlich aus mit einer wirren A-cappella-Version von „Where Have All The Flowers Gone“. War die Hippie-Hymne Inspiration zu Perkins‘ eigenem Track „Flowers“? „Gott der Allmächtige inspiriert mich. Nicht irgendein Song.“

CHRISTOPH BRAUN

mit Grand Agent, Group Home und Hezekiah: Sonntag, 22 Uhr, Gum Club