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Unerwünschte Entmystifizierung

Die Kölner Dirigentin und Autorin Elke Mascha Blankenburg stellt im Literaturzentrum ihr Buch „Dirigentinnen im 20. Jahrhundert“ vor und lädt zur Diskussion über Widerstände, denen sich Musikerinnen immer noch gegenübersehen

Der Vater ist nicht begeistert, als ihm die Tochter ihren Entschluss mitteilt, Dirigentin zu werden: „Willst du dich unglücklich machen? Kennst du irgendeine andere? Und du willst es schaffen?“ Elke Mascha Blankenburg hat es geschafft – gegen alle Widerstände, auf die eine Frau mit dieser Berufswahl stößt. „Dirigentin sein bedeutet Ausnahme sein. Auch heute noch. schreibt sie in ihrem Buch Dirigentinnen im 20. Jahrhundert, aus dem sie jetzt im Literaturhaus liest.

Es bedarf einer besonderen Kraft zur Grenzüberschreitung, um sich den massiven Ausschlussversuchen zu widersetzen. Frauen auf dem Dirigierpult kratzen am Mythos des Dirigenten – ein vom Heroenkult gesättigtes Bild machtausübender Männlichkeit. Davon, wie unerwünscht diese Entmystifizierung ist, spricht die Statistik: In den letzten 25 Jahren wurden gerade mal sieben Chefpositionen an Frauen vergeben.

Diese Erfahrung musste auch Elke Mascha Blankenburg machen. Aber sie sei, so sagt es ihre langjährige Freundin, die Schriftstellerin Jutta Heinrich, „eine von Musik, der Überschreitung Besessene“. Sie selbst erzählt von physischen und psychischen Niedergängen, vom Gedanken aufzugeben, wenn die Widerstände überhand nahmen. Aber: „Nichts in der Welt hätte mich hindern können.“ Mitte der 60er Jahre studiert sie Kirchenmusik und Chorleitung. Sie hatte das Glück, vom Professor zum Dirigieren ermutigt zu werden. Ab 1970 war sie 20 Jahre lang als Kirchenmusikerin in Köln tätig – und als erfolgreiche, hoch gelobte Dirigentin auf internationalen Tourneen unterwegs. Ende der 70er Jahre begann ihre seither nicht unterbrochene Sichtbarmachung weiblicher Musikgeschichte. 1978 gründete sie den Internationalen Arbeitskreis Frau und Musik und 1986 das Clara-Schumann-Orchester Köln, das einzige professionelle Frauensymphonieorchester der Bundesrepublik. 1980 veranstaltet Blankenburg das 1. Internationale Komponistinnen-Festival mit etlichen Ur- und Erstaufführungen. Derzeit baut sie ein internationales Dirigentinnen-Archiv auf.

In ihrem noch vieles mehr umfassenden Engagement spielte die „physisch erfahrene Ungerechtigkeit“, wie Jutta Heinrich es formuliert, als Anstoß eine größere Rolle als die feministische Diskussion um eine weibliche Ästhetik: „Man hört es den Kompositionen von Fanny Mendelssohn nicht an, dass sie von einer Frau komponiert wurden. Ich habe es oft ausprobiert. Und bei anderen ist es ebenso.“

In ihrem aktuellen Buch geht es Blankenburg darum, „zu zeigen, dass wir nicht alleine sind“, die Lebensläufe aus dem Privaten herauszuholen, um Vernetzung. Dieses Zugehen auf die anderen ist kaum denkbar ohne jene Gabe, welche die Freundin Jutta Heinrich selbst in zahlreichen Begegnungen genossen hat: „Die Utopie des künstlerischen Vermögens auch in der Anderen zu sehen, und sich gegenseitig zu vergrößern im Erkennen.“ CAROLA EBELING

Elke Mascha Blankenburg: Dirigentinnen im 20. Jahrhundert, Hamburg 2003, 308 S., 30,40 Euro. Lesung: Do, 19.6., 20 Uhr, Literaturzentrum im Literaturhaus, Schwanenwik 38

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