Hosen runter wegen Willi

30 Bremer SportstudentInnen machten sich nackig, um mit einem Aktkalender auf miserable Studienbedingungen aufmerksam zu machen. Die Aktion brachte sie bis in argentinische Zeitungen

taz ■ Irgendwo an thailändischen Schlafzimmerwänden, australischen Küchenzeilen und 2.848 anderen Wänden in der ganzen Welt hängt seit dem vergangenen März ein Kalender mit Bildern von nackten Speerwerfern, Surfern und Fußballspielerinnen. Und das bloß, weil der Bremer Bildungssenator Willi Lemke (SPD) vergangenen Winter knallhart durchgesetzt hat, dass an den Bremer Hochschulen künftig pro Studi und Semester 50 Euro Verwaltungsgebühren eingetrieben werden. Die Nackten nämlich sind keine Models, sondern Bremer SportstudentInnen, die im Rahmen des Uni-Streiks mit der medienwirksamen Aktion gegen ihre schlechten Studienbedingungen protestierten.

Spiegel, Stern und Süddeutsche berichteten über das Projekt der Bremer Studis, die Mitarbeiter vieler Fernsehsender standen Schlange beim Stuga Sport. Und dann war da auch noch dieser Anruf aus Argentinien: „Die hatten dort eine dpa-Meldung über uns gelesen und fanden die Idee so witzig, dass sie direkt einen Artikel darüber brachten“, erzählen die Macher begeistert. Auch wenn es der Uni weiterhin an Personal, Platz und Studienmaterial mangelt und so die ein oder andere Studienkarriere zermalmt wird, auch wenn der Streik Lemkes Sparpläne nicht durchkreuzen konnte – „zumindest die Kalender-Aktion war ein Erfolg,“ sagt Uwe Schönfeld vom verantwortlichen Stuga Sport.

Die Nachfrage nämlich war riesig. Schon nach kürzester Zeit versuchten Bremer Läden, die zunächst mit insgesamt 500 Exemplaren beliefert worden waren, noch einmal dieselbe Menge nachzubestellen. Aber da waren die insgesamt 2.850 Exemplare schon so gut wie vergriffen. Alles in allem brachte die Aktion weit über 10.000 Euro ein. „Allerdings ging die Hälfte davon für Steuern drauf,“ sagt Schönfeld. Die übrigen rund 6.000 Euro sollen jetzt in eine studiengangeigene Bibliothek investiert werden. Wahrscheinlich wird sie einen Raum der ehemaligen Cafeteria des Sportturm bekommen.

Wer eigentlich auf die Idee mit den „Semesterakten“ kam, weiß im Stuga Sport keiner mehr so ganz genau. Da waren die Wogen und Wellen, die der erfolgreiche und viel beachtete 24-Stunden-Lauf-Streik geschlagen hatte. Da lagen in der Mensa diese Flyer mit den Aktbildern herum. Und plötzlich redeten alle von einem Aktkalender als Protestschrei – ganz nach dem Motto: „Ihr nehmt uns unser letztes Hemd“. Muskeln wurden gestählt und geölt, irgendwer rief die Fotografen Michael Inselmann und Sonja Hünecken von den Mensa-Flyern an, und man verabredete ein Casting. „Da war‘s recht voll,“ grinst Schönfeld. Die Fotografen suchten sich die außergewöhnlichsten Sportler aus und produzierten 24 Einzelbilder – der Kalender ist folglich beidseitig bedruckt. Manche gemischtgeschlechtliche WG schaffte sich den Kalender deshalb gleich in zweifacher Ausführung an – nackte Boxer und Barrenturner für die Mädels, das weibliche Pendant an Seilen und an Flitzebögen für die Jungs.

Ein bisschen Überwindung hat das Posen ohne Unterhose viele Studenten schon gekostet, schließlich bewegten sich die meisten das erste Mal splitterfasernackt vor der Kamera. „Aber die Fotografen haben mit dir geredet, als hättest du was an. Das Einzelbild war daher nicht so schlimm“ – Schönfeld war der Speerwerfer und musste die Muskeln beim Foto-Shooting dermaßen anspannen, dass für Scham gar keine Energie mehr blieb. Schwieriger war es, als sich die nackten Studenten fürs Gruppenbild im Spaghettistil ineinander drehen und rollen sollten. Aber sie machten mit, und den Fotografen gefiel das Projekt im Endeffekt sogar so gut, dass sie auf das verabredete Honorar verzichteten – eigentlich sollte es einen Euro pro verkauftem Kalender geben.

Inselmann und Hünecken würden gerne noch einmal eine ähnliche Aktion mit den Sportstudenten starten. „Dann müsste aber eine andere Gruppe die Organisation übernehmen,“ sagt Schönfeld. Nie zuvor hatte er so stressige Semesterferien gehabt. Die Organisation blieb an fünf bis sieben Kommilitonen hängen. Hausarbeiten und Ferienjobs wurden abgesagt oder blieben liegen. „Nochmal das ganze und wir sind Langzeitstudenten,“ grinst er.Dorothea Ahlemeyer

www.semesterakte.de