Nachgefragt
: Fachtagung in der Arbeitnehmerkammer

Mini-Jobs als Chance für Bremen?

Laut GewerkschafterInnen und WisenschaftlerInnen sind sie für viele kein Heilsversprechen: Mini-Jobs und Ich-AGen. Von der Hartz-Kommission zunächst als Mittel zur Schaffung neuer Arbeitsplätze erdacht, dienten sie jetzt dazu, den Niedriglohnsektor auszubauen, sagen GewerkschafterInnen. Sicherlich gebe es ProfiteurInnen, für viele könnten die Ansätze aber auch nachteilig wirken, so das Fazit des gestrigen Fachtags in der Bremer Arbeitnehmerkammer, bei dem GewerkschafterInnen, Arbeitslosen- und Beratungseinrichtungen, Betriebsräte und VertreterInnen von BeschäftigungsträgerInnen diskutierten.

Seit zweieinhalb Monaten sind die Mini-Job-Regelungen in Kraft. Claudia Weinkopf vom Gelsenkirchener „Institut Arbeit und Technik“ räumte zunächst mit einer falschen Zahl auf: Der arbeitsmarktpolitischer Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, Klaus Brandner, habe behauptet, die Neuregelungen hätten 600.000 neue (Mini-) Jobs geschaffen. Das stimme nicht. Denn alle früheren 325-Euro-Jobs müssten bei der Mini-Job-Zentrale neu angemeldet werden. Viele der gemeldeten, angeblich neuen Jobs seien vermutlich schon vorher existent gewesen. In Bremen gab es im Jahr 2002 rund 40.000 solcher Jobs, ergänzte Hella Baumeister.

Die gewerkschaftliche Kritik brachte Anne Jenter vom DGB-Bundesvorstand vor: Grundsätzlich sei zu befürchten, dass bestehende sozialversicherungspflichtige Jobs in Mini-Jobs aufgesplittet würden und mit Einbrüchen bei der Sozialversicherung zu rechnen sei. Mini-Jobs würden keine Existenz- und Alterssicherung ermöglichen. Für Arbeitslose seien sie so lange keine Alternative, so lange jeglicher Zuverdienst über 165 Euro im Monat auf das Arbeitslosengeld angerechnet würde. Diejenigen, die einen Mini-Job als Nebenverdienst neben einem anderen Job hätten, seien die Gewinnerinnen: Sie könnten, bis zu 4.800 Euro im Jahr (400 Euro monatlich) steuer- und abgabenfrei dazu verdienen. „Das ist unsozial“, sagte Jenter. Ihr Fazit: „Mini-Jobs gehen an der Zielgruppe der Langzeitarbeitslosen vorbei.“

Zweites Instrument: Die Ich-AGen. Seit dem 1. Januar 2003 haben in Bremen 221 Menschen „Ich-AGen“ gegründet, bundesweit waren es bis Mai schon 25.000, „nicht gerade wenig“, sagt Claudia Weinkopf. Ob „Ich-AGen“ aber langfristig zusätzliche Jobs schaffen können oder nur existierende Dienstleistungsanbieter verdrängt werden, sei noch offen, sagte die Wissenschaftlerin. Sie kritisierte, dass zur Gründung einer „Ich-AG“ kein durchdachtes Konzept mehr vorgelegt werden müsse, wie es ExistenzgrünederInnen beim „Überbrückungsgeld“ mussten. Außerdem befürchtet sie, dass Arbeitssuchende vom Arbeitsamt in diese Art der „kleinen“ (weil einkommensbegrenzten) Selbständigkeit gedrängt werden könnten, ohne dass hinreichend beachtet würde, ob die betreffende Person überhaupt das Zeug zur Selbständigkeit habe.

Ob in Bremen den 43.000 Arbeitslosen bald mehr als 3.000 offene Stellen gegenüberstehen, bleibt abzuwarten. ube