Bremen rüstet weiter

Konversion an der Weser: In den 90ern Topp-Thema, heute passé. Derweil arbeiten wieder mehr Firmen für die Rüstung. Eine Broschüre versucht, das Thema wieder ins Bewusstsein zu rücken

„Die Umstrukturierung der Bundeswehr führt zur Angriffsfähigkeit“

taz ■ Konversion – was war das noch mal? Das große Bremer Thema der 90er Jahre ist zum Medien-Mauerblümchen geworden. Damals gab es einen Konversionsbeauftragten, 25,6 Millionen Euro standen in den Jahren 1990 bis 2000 in Bremen zur Verfügung, um die Umwandlung von Rüstungs- in zivile Arbeitsplätze zu fördern. Die Zahl der Rüstungs-Arbeitsplätze hatte sich in den 90ern um fast die Hälfte auf 15.000 auf 8.000 vermindert.

Doch derzeit ist es still geworden um die Konversion. Dabei läuft die Bremer Rüstungsproduktion wieder auf vollen Touren. Das findet zumindest ein buntes Bündel Bremer Friedensorganisationen, die gestern ihre neue Broschüre „Rüstungsstandort Bremen“ vorstellten.

„Die Umstrukturierung der Bundeswehr zur Interventionsarmee führt zur Angriffsfähigkeit“, sagt die Politikstudentin Vivien Mast, die in ihrem Broschüren-Beitrag die „Militarisierung der deutschen Außenpolitik“ beklagt. Dass die derzeit knapp 10.000 Bundeswehrsoldaten in aller Welt in „friedenserhaltenden Massnahmen“ eingesetzt sind, macht sie skeptisch: „Kein Politiker wird sich hinstellen und sagen: Wir wollen Angriffskriege führen.“

Weit vorne im globalen Kriegskonzert spielt STN Atlas. Die Bremer Firma sei zu über 90 Prozent von Rüstungsprojekten abhängig, schreibt Andrea Kolling von der Bremischen Stiftung Rüstungskonversion und Friedensforschung. Bezogen auf den Umsatz (500 Millionen Euro pro Jahr) betrage der Exportanteil 40 Prozent. Die Firma rüste alle deutschen U-Boote mit Torpedos und Feuerleitsystemen aus. Weltweit liefere STN Kampfsysteme für U-Boote von 19 Armeen. Auch das vielzitierte Argument, Rüstung bringe wenigstens Jobs, scheine bei STN wenig zu zählen: Anfang der 90er Jahre hatte STN noch 6.500 Beschäftigte, derzeit sind es noch 3.000.

Ein weiterer „Großer“ im Geschäft ist die Vegesacker Lürssen-Werft. Während sich Lürssen nach außen hin gerne als Bauer exklusiver Nobeljachten präsentiert, fertigt sie vor allem Kriegsgerät, so fünf neue Korvetten für die Bundeswehr. Wert: 900 Millionen Euro. Zusammen mit den Thyssen Nordseewerken in Emden und Blohm & Voss in Hamburg soll der Deal bis 2006 1.400 Jobs sichern. Außerdem, so Wieland von Hodenberg, Aktiver im Bremer Friedensforum, bastele Lürssen an sechs Minenjadgbooten für die Türkei. In den 90ern hatte Lürssen den Rüstungsanteil seiner Produktion noch von 80 auf 40 Prozent gesenkt.

Von Hodenberg erzählt in einem weiteren Beitrag, dass inzwischen auch Bremer Krankenhäuser mit der Bundeswehr kooperieren. Das Rotkreuz-Krankenhaus als „eine der führenden Schmerz-Kliniken“ arbeite eng mit Strucks Truppe zusammen. Nur sei fraglich, worin die Kooperation überhaupt bestehe. Von Hodenberg: „Der dortige Betriebsrat weiß bis heute nicht, was in den Verträgen steht.“

Den Friedensbewegten gehen die Kooperationspartner dagegen so langsam aus – auch hier hat sich der Wind inzwischen gedreht. „Früher haben wir in den Betrieben immer Mitarbeiter gefunden, die uns informiert haben. Das ist jetzt vorbei“, erzählt Ekkehard Lenz vom Friedensforum. Selbst die IG Metall habe man nicht mehr zur Mitarbeit an der Broschüre gewinnen können. Kai Schöneberg

Die Broschüre gibt‘s für 3 Euro im Kapitel 8 (Domsheide), in der Villa Ichon (Goetheplatz) und bei der BUKO in der Buchtstraße 14.