„Berlin ist grundsätzlich dreckiger“

Der Stadtsoziologe Andreas Kapphan hat beobachtet, dass sich die Parknutzung nach Events ändert, weil eine neue Klientel verantwortungsvollere Anwohner verdrängt. Das sei zwar nicht Sinn einer Grünfläche, lasse sich aber auch nicht verbieten

Interview UWE RADA

taz: Herr Kapphan, wann waren Sie zuletzt im Mauerpark?

Andreas Kapphan: Im Herbst letzten Jahres. Dieses Jahr war ich noch nicht da.

Warum nicht?

Der Mauerpark ist mir zu dreckig geworden. Überall liegen Kippen rum, Papier, Zigarettenschachteln, Bierdosen. Ohne Decke kann man sich da nicht mehr wohl fühlen.

Wie kommt es, dass im einen Park der Müllberg stetig wächst, während andernorts die Leute ihren Müll selbst wegräumen?

Das hat zum einen mit der Nutzungsdichte zu tun, zum andern mit dem Nutzungsverhalten. In den innerstädtischen Gebieten mit einem Mangel an Grünflächen nutzen mehr Leute die Grünflächen als am Stadtrand.

Das reicht uns nicht an Erklärung. Der Monbijoupark in Mitte ist auch keine Müllhalde.

Der Monbijoupark wird anders genutzt als der Mauerpark. Er ist eine klassische Grünfläche, die zur Erholung genutzt wird. Wer sich erhohlen will, wird keinen Müll hinterlassen, er will ja auch wiederkommen, wenn er in der Nähe wohnt. Dieser Nutzer bringt eine Verantwortung für den Ort mit, er hat ihn sich angegeignet und ein langfristiges Interesse an seiner Erhaltung.

Das gilt für den Mauerpark nicht?

Der Mauerpark ist zunehmend zu einem Eventpark geworden. Dort steht weniger die individuelle Erholung im Vordergrund, sondern man trifft sich zum Grillen, zum Trommeln, zum Sprayen, zu Geburtstagspartys oder sonstigen Aktivitäten. Diese Nutzung entspricht nicht der traditionellen Nutzung eines Parks, also der Erholung, sondern der, die traditionell im Privaten stattfindet. Das bedeutet auch, dass zu diesen Gelegenheiten Leute in den Park kommen, die nicht nur zur anwohnenden Bevölkerung gehören.

Wie wird ein Park zum Eventpark?

Das Freizeitverhalten hat sich grundsätzlich verändert. Dazu gehört auch, dass es zunehmend öffentliche Feiern in Parks gibt. Beim Mauerpark ist das ganz entscheidend, denken Sie an die Walpurgisnacht. Das sind Events, die die Parks für eine bestimmte Klientel bekannt machen. Wenn sich das dann wiederholt, wird der Park zu anderen Gelegenheiten ähnlich genutzt, ohne dass es dafür eines öffentlichen Anlassen bedürfte.

Das heißt, die Festivalisierung der Stadtpolitik hat auch die Parks erreicht, und nun stehen wir vor den Folgen.

Ja.

Allerdings gehören Parks zu den letzten Flächen der Stadt, in denen man nicht zum Konsum gezwungen wird. Wird in den Parks damit auch ein Nutzungskonflikt ausgetragen, der aus der Stadt verdrängt wurde? Auf der einen Seite das erholungsbedürftige Individuum, das seine Mittagspause genießen möchte, auf der anderen die Clique, die nur noch hier umsonst und draußen sein darf?

Festivalisierung und nichtkommerzielle Nutzung passen sehr gut zusammen. Schließlich gibt es in den Parks keinerlei Kontrolle darüber, ob man sein Bier mitbringt oder vor Ort kauft, wenn es zum Beispiel eine öffentliche Feier gibt.

Ein klassischer Nutzungskonflikt?

Wenn an einem Ort, der zuvor vielfältig genutzt wird, sich plötzlich eine Nutzung durchsetzt, werden andere ausgeschlossen. Das ist nicht der Sinn einer Grünfläche. Die soll für alle nutzbar sein. Das allerdings sollte auch für den öffentlichen Stadtraum gelten. Je teurer der aber wird, desto mehr wandern diejenigen in die Parks ab, die weniger Geld haben, Studenten, Schüler, Arbeitslose, Sozialhilfeempfänger. Übrigens haben auch die Teuerungen bei den Freibädern dazu geführt, dass die Parks nun übernutzt sind. Mit den Kürzungen für die Bäderbetriebe wollte der Senat Geld sparen, nun sieht man, dass das eine Milchmädchenrechnung war.

Vonseiten der Politik heißt es immer wieder, die Berliner gingen nicht verantwortungsvoll mit ihren öffentlichen Räumen um. Gilt das nur für Berlin, oder ist das in anderen Städten wie München oder Hamburg genauso?

Berlin ist grundsätzlich dreckiger als die meisten westdeutschen Städte. Das gilt nicht nur für die Grünflächen.

Woran liegt das?

An der größeren Anonymität und damit auch einer geringeren Verantwortung für das nähere Wohnumfeld. Wenn wir Berlin aber mit anderen Städten etwa in Ost- und Südeuropa vergleichen, schneidet es wiederum relativ gut ab.

Können die Bezirksämter, denen die Parks unterstehen, überhaupt noch mit den beschriebenen Nutzungsänderungen zurechtkommen?

An Orten wie dem Mauerpark müsste man eigentlich die BSR einsetzen, da sind die Natur- und Grünflächenämter überfordert.

Bausenator Strieder möchte nicht die BSR, sondern Sozialhilfeempfänger einsetzen.

Dieser Vorschlag schießt am Ziel vorbei. Eigentlich müsste die Argumentation so lauten: Der Bezirk ist für Ordnung und Sauberkeit in den Parks zuständig, hat dafür aber nur begrenzte Mittel und zu wenig Personal. Also müsste er das Personal aufstocken. Dies könnte man zum Beispiel mit bezirklichen Beschäftigungsgesellschaften machen, in die dann verstärkt auch Arbeitslose und Sozialhilfeempfänger eingestellt werden. Damit würden auch Arbeitsplätze geschaffen. Strieders Vorschlag dagegen bedeutet, durch Workfare jemanden zur Arbeit zu verpflichten, die die Gesellschaft sonst nicht übernimmt.

Andere rufen bereits nach der Polizei.

Man wird diese neuen Nutzungen nicht verbieten können. Natürlich kann man mit Parkwächtern ein bestimmtes Maß an Kontrolle schaffen. Aber auch dann wird man das Problem haben, Verstöße zu ahnden.

In welche Parks gehen Sie in diesem Jahr?

In den Monbijoupark. Und dann habe ich auch den Schlosspark Pankow für mich entdeckt. Dort in der Nähe geht mein Sohn in den Kindergarten.