Warum so viel Geheimniskrämerei?

Der Auftritt des US-Präsidentenduos vor der 9/11-Kommission ist als Schlussstrich gedacht – und funktioniert doch nicht

Keine Öffentlichkeit. Keine Aufzeichnung. Kein Eid. US-Präsident George W. Bush und sein Vize Dick Cheney haben nur unter der Bedingung, dass es sich um ein „privates Treffen“ handelt, zugestimmt, vor der Untersuchungskommission zum 11. September 2001 auszusagen. Was auch immer von der Befragung durchsickern wird, das Fehlen einer offiziellen Mitschrift erlaubt der Bush-Regierung später, alles zu dementieren.

Eine Stunde wollten sich Bush und Cheney am Donnerstag im Weißen Haus den Fragen der Kommissionsmitglieder stellen. In der knappen Zeit werden beide die bekannte Regierungslinie bekräftigt haben, über die Gefahr durch al-Qaida zwar unterrichtet worden zu sein, doch über keine konkreten Hinweise auf einen Anschlag in den USA verfügt und nach den Anschlägen alles in ihrer Macht Stehende unternommen zu haben, weitere Attentate zu verhindern. Auch könnten beide die widersprüchlichen Aussagen anderer Regierungsmitglieder auflösen. So beharrte Sicherheitsberaterin Condoleezza Rice darauf, dass die Regierung vor den Anschlägen an einem umfassenden Strategiepapier zum Antiterrorkampf arbeitete, das Pläne für militärische Operationen enthielt. Vizeaußenminister Richard Armitage widersprach dieser Aussage. Auch sind die Details des nunmehr berühmten Memos vom 6. August umstritten, in dem die CIA den Präsidenten konkret vor Anschlägen auch innerhalb der USA warnte. Bat Bush um diese Stellungnahme, wie seine Mitarbeiter behaupten, oder legte der Geheimdienst ihm diese auf Grund der wachsenden Anschlagsgefahr von sich aus vor, wie dessen Mitarbeiter aussagen? Der Streit um dieses Dokument dürfte für Bush am unangenehmsten werden, geht es doch hierbei um seine Führungsstärke.

Es ist daher kein Wunder, dass sich das Weiße Haus lange gegen die Einsetzung der 9/11-Kommission streubte, der öffentlichen Vernehmung von Rice erst nach massivem Druck beugte und auch der Befragung Bushs nur unter der Bedingung zustimmte, dass er gemeinsam mit seinem Vize auftreten darf. So könne eine bessere Chronik der Ereignisse wiedergegeben werden, ließ das Präsidialamt offiziell verlauten. Doch der Auftritt des Duos ist längst zum Gespött der Talkshows geworden: Ein wortgewaltiger Cheney nimmt den in freier Rede unsicheren Bush an der Hand und fährt ihm bei dummen Bemerkungen über den Mund. Auch die Opposition sieht den wohl mächtigsten Vize der US-Geschichte in der Rolle des Aufpassers, der Widersprüche und Peinlichkeiten vermeiden helfen soll.

Die Regierung hofft trotz allem, mit dem Auftritt endlich einen Schlussstrich unter die Vergangenheit ziehen zu können. Das Weiße Haus wird darauf verweisen, dass alle betroffenen Parteien sich der Kommission gestellt haben und seine Kooperationsbereitschaft loben. Die Opposition wird Bush jedoch mangelnde Transparenz vorwerfen und weiterhin eine öffentliche Aussage verlangen. Experten und viele Demokraten halten angesichts der gefährlichen Lage im Irak die Versäumnisse vor dem 11. September längst nicht mehr für die zentrale Frage, sondern inwieweit der Irakkrieg dem Antiterrorkampf geschadet hat. Diese wird durch keine Kommission, sondern nur durch die Geschichte beantwortet.MICHAEL STRECK