Polen oder Letten kontrollieren billiger

Deutsche Sicherheitsunternehmen fürchten die Konkurrenz aus Osteuropa – und stärken dort die Gewerkschaften

FRANKFURT taz ■ Sie sind überall: Im Kaufhaus und am Flughafen. In den U- und S-Bahnen. Und in allen großen Unternehmen. Sie verkaufen Sicherheit privat. Und sie kennen keine Angst. Nur vor dem morgigen Tag fürchten sie sich. Denn nach der EU-Osterweiterung werden die osteuropäischen Wach- und Sicherheitsunternehmen in ganz Westeuropa ihre Dienste zu Dumpingpreisen anbieten. Das befürchtet jedenfalls der Bundesverband Deutscher Wach- und Sicherheitsunternehmen (BDWS).

EU-weit arbeiten zur Zeit etwa eine Million Menschen bei privaten Sicherheitsdiensten; in Deutschland sind es knapp 180.000. „Harte Zeiten“ würden auf die deutschen „Sicherheitsproduzenten“ zukommen, so BDWS-Vorsitzender Harald Olschok. Denn in Polen etwa beschäftigten die Sicherheitsdienste Wachmänner und Kontrolleure nur zu etwas mehr als ein Euro die Stunde, während in Deutschland tarifvertraglich vereinbarte Stundenlöhne von sechs bis acht Euro bezahlt werden müssen.

Unternehmen und vor allem auch Kommunen, die hart kalkulieren müssten, könnten der Versuchung erliegen, ihren privaten „Sicherheitsanbieter“ zu wechseln. Dann patrouillierten eben Polen oder Letten durch die Fußgängerzonen von deutschen Städten. Und am Frankfurter Flughafen kontrollierten vielleicht schon bald Slowaken oder Litauer die Reisenden – alle angestellt bei Firmen in ihren Heimatländern zu den entsprechenden Konditionen. Schon jetzt würden die Unternehmen dort ihre Leute mit den Rechtsverhältnissen in den westeuropäischen Ländern vertraut machen; und die Mitarbeiter büffelten Deutsch oder Schwedisch. „Da werden sich einige Firmen hier im Westen warm anziehen müssen“, prognostiziert Olschok. Denn die so genannte Dienstleistungsfreiheit wurde für das Sicherheitsgewerbe nicht eingeschränkt während der EU-Erweiterungsverhandlungen.

Inzwischen setzt sich der BDWS in Brüssel für die europaweite Harmonisierung der gesetzlichen Bestimmungen für die Wach- und Sicherheitsdienste und für die Einhaltung von westeuropäischen Mindeststandards bei der Einstellung und Schulung von Personal ein. Und der BDWS kontaktiert seit Monaten die Gewerkschaften in den Beitrittsländern im Osten und leistet dort Aufbauhilfe. Die Gewerkschaften sollen nämlich bald Tarifvertragspartner der osteuropäischen Sicherheitsunternehmen werden und mittelfristig dafür sorgen, dass dort keine Dumpinglöhne mehr gezahlt werden. Ein Unternehmensverband stärkt Gewerkschaften den Rücken!

Dennoch prognostiziert Olschok, dass sich die Beschäftigten bei deutschen Sicherheitsunternehmen bald mit Stundenlöhnen von 4 Euro anfreunden müssen. Der DGB ist nicht ganz so pessimistisch, denn so viel würde sich durch die EU-Osterweiterung gar nicht ändern. Migrationssprecher Volker Rußocha: „Internationale Dienstleistungsfirmen konnten auch bisher schon billige osteuropäische Arbeitskräfte beschäftigen.“

KLAUS-PETER KLINGELSCHMITT