Betr.: Europas Blick nach vorn

Heute um Mitternacht beginnt das bisher größte Experiment in der Geschichte Europas. 25 Staaten, von Luxemburg bis Litauen, von Schweden bis Slowenien, werden versuchen, in einer Gemeinschaft zusammenzuarbeiten. In einer Union der Staaten und Bürger, wie es in der künftigen Verfassung heißt, die das Grundgesetz der neuen Gemeinschaft sein soll. In einer Union, in der die Nationalstaaten zwar weiter existieren, immer mehr Souveränität aber an supranationale Institutionen abgeben werden.

Es ist ein Experiment, und keiner weiß heute, wie es ausgehen wird. Sowohl politisch als auch wirtschaftlich. Die einen erwarten den Zerfall der Union, die anderen sehen schon den europäischen Superstaat. Die einen prognostizieren die Schaffung hunderttausender neuer Arbeitsplätze, die anderen erwarten genau das Gegenteil. Doch die Zeit der Spekulationen über das Für und Wider der Osterweiterung ist nun vorbei. Jetzt geht es los, und zu Beginn dieses europäischen Experiments soll auch gefeiert werden. Die taz widmet dieses Dossier darum all denen, die die Erweiterung erst möglich gemacht haben. Den unbekannten Europäern, die es seit dem Fall der Mauer geschafft haben, verloren gegangene Verbindungen zwischen Ost und West wieder aufzubauen. Den Berufseuropäern und Dauerverhandlern in Brüssel. Und natürlich den Menschen in den Beitrittsländern, die in den vergangenen 15 Jahren ihr Leben komplett umkrempeln mussten. Im Mittelalter stand auf die Ausfuhr des böhmischen Hopfens die Todesstrafe. Nun denkt die Kommission in Brüssel über ein Verbot von Haribo-Werbung nach. Es geht voran mit Europa. SABINE HERRE