Ärger in der dicken Büchse

Der Kanzler kam spät, ging früh und vor der Tür demonstrierten seine Genossen. Drinnen musste sich Gerhard Schröder auch ärgern – er durfte die Oberhausener Kurzfilmtage im Gasometer nicht eröffnen

VON PETER ORTMANN

Der Bundeskanzler war sauer. Der Ministerpräsident sauerkomisch. Die Helden der Filmkunst blieben lieber im Sauerland Amerika. Alles lief irgendwie schief bei der Eröffnung der 50. Kurzfilmtage in Oberhausen.

Eröffnet hat das Jubiläumsfestival am Freitag Frau Becker. „Ihr dürft mich alle Meret nennen“ hauchte sie berlinernd ins Mikrofon, knickste artig im kleinen Schwarzen und warf eine Handvoll Konfetti – die ersten Herzschrittmacher in den besesselten VIP-Reihen begannen nervös zu flimmern. Aber nur kurz, denn dann schritt Oberhausens Oberbürgermeister Burkhard Drescher zum Pult. „Hier sollte jetzt erst ein Kurzfilm laufen“, murmelte er verwirrt. Mit lähmender Verzögerung starteten dann zwei Stadtmarketing-Streifen über seine Stadt gestern und heute. Motto: Vom Kumpel damals in deutscher Sprache zum Konsumtempel von heute auf englisch. Doch ohne das Festival der kurzen Filme bleibt von Oberhausen nicht viel erwähnenswert – vom guten Stadt-Theater mal abgesehen. Mit altbackenem „Glück auf“ verabschiedete sich denn auch Drescher – Der Kanzler schritt zur Tat.

„Also eigentlich wollte ich ja die Kurzfilmtage eröffnen, Frau Sander“, Gerhard wollte Meret nicht mehr Meret, sondern bei Vaters Namen nennen, schließlich hatte sie ihm in die Suppe gespuckt. Eine spitze Bemerkung noch für den nur mäßigen Beifall, Schröder war ziemlich angesäuert, nestelte fahrig an seiner Sehhilfe und legte los. Was folgte war das übliche Blabla: wie wichtig das Festival weltweit und wie wenig Geld doch für den Film..., wie toll doch alles damals in den 60ern..., der Kanzler ist eben älter als er geschminkt ausschaut. Dann eröffnete er trotzig noch einmal, schließlich ist er der Chef und lässt sich das nicht nehmen, auch nicht vom Schnuckel mit den silbernen Schuhen.

Der riesige Gasbehälter hallte vom braven Schlussbeifall noch nach, da trat NRW-Ministerpräsident Peer Steinbrück auf und erzählte erst mal einen müden Witz über zu lange Reden. Denn den kann er. Den hat der Peer drauf. Damit hat er schon vor ein paar Tagen bei der Eröffnung der Duisburger Akzente alle abgetörnt. Viele VIPs zweiter Klasse rutschen jetzt unruhig auf ihren schmalen Sitzkissen hin und her. Nach zwei Stunden ohne Kaltgetränk oder Toilette wurde es langsam eng, die Aufmerksamkeit schwand. “... die Kurzfilmtage wurden vom Land immer unterstützt, auch in solchen Zeiten, wo ich noch Finanzminister gewesen bin.“ Steinbrück versuchte es gerade mit seinem zweiten Scherz, da löste sich auch der letzte Rest an Interesse beim Publikum auf.

Die Superstars hatten eh alle abgesagt, Wim Wenders, der Kranke, schickte eine Videobotschaft von seinen Dreharbeiten in Hollywood, die ihm wohl wichtiger waren, Sönke Wortmann ließ sich entschuldigen, die vollzählige NRW-Filmfamilie blieb unter sich. Anschließend gab es Essen und Trinken reichlich, die Musik war wie immer zu laut – der übliche Festivalstart eben. Der Kanzler war da schon lange verschwunden.