Ein neues Wahrzeichen für Köln

Die geplante Windanlage im Kölner Norden wird die Landschaft „veredeln“, wirbt der Investor auf einer Veranstaltung der Grünen. Publikum und CDU-Chef Reinarz können sich damit nicht anfreunden

VON JESSICA DÜSTER

Eins stand nach der zum Teil heftig geführten Diskussion fest: „Es ist auf Dauer nicht möglich, Windenergieanlagen aus Köln herauszuhalten. Wir können nur den Standort abwägen und zwischen einer einzelnen, großen Anlage oder einem Windpark wählen“, sagte Jörg Frank, wirtschaftspolitischer Sprecher der Grünen im Rat, auf der Veranstaltung „Windenergie für Köln! – Nein, danke?“, zu der seine Fraktion am Donnerstag Abend ins Historische Rathaus eingeladen hatte. Dass laut Baugesetzbuch die Kommunen den Bau von Windenergieanlagen ohnehin nicht ablehnen können, weiß auch der CDU-Vorsitzende Walter Reinarz. Die Stadt könne ohnehin den Standort auswählen, stellte er fest.

„In Köln sind schon seit längerem sechs Gebiete im Gespräch“, erläuterte Jürgen Schmidt, Betreiber von Windenergieanlagen und Initiator der Anlage „Enercon E-112“, dem seit einigen Wochen heiß diskutierten Pilotprojekt. Die Firma „Energie- und Umweltkontor“ habe eigentlich einen Windpark errichten wollen, sich jedoch von Schmidt überzeugen lassen, nur eine einzelne Anlage zu bauen – mit einer Gesamthöhe von etwa 196 Metern die weltweit höchste, die so viel Strom erzeugen kann wie vier herkömmliche Windräder. Mit der E-112, so Schmidt, wäre das Mindest-Soll für Köln erreicht: „Es wird keinen Wildwuchs geben, nur diese eine Anlage.“ Gerd Brust, grünes Aufsichtsratsmitglied der GEW Rheinenergie, lobte, dass Schmidt zuerst Presse und Parteien informiert habe, statt direkt einen Bauantrag zu stellen. Der Investor beteuerte: „Gegen den Rat der Stadt werde ich keinen Antrag stellen. Dann werde ich nicht bauen.“

Für Schmidt kommt aufgrund der günstigen Windverhältnisse und der vorhandenen Infrastruktur nur der Kölner Norden, südlich der Autobahnausfahrt Worringen zwischen Sinnersdorf und Roggendorf-Thenhoven, als Standort in Frage. Neben dem Windrad will der Investor zudem für Schulklassen und andere interessierte Besucher ein Informationszentrum über Wind und regenerative Energien errichten. Geplant ist eine so genannte Hybridanlage, die bei einer Windflaute Energie aus einer weiteren erneuerbaren Quelle wie Biomasse oder Erdwärme erzeugen könnte. „Die Anlage würde die Landschaft veredeln und könnte ein weiteres Wahrzeichen Kölns werden“, meinte Schmidt.

Diesem kühnen Gedanken wollte sich Walter Reinarz jedoch nicht anschließen und fand hier Zustimmung im Publikum: „Wir haben mit dem Dom schon unser Wahrzeichen, und das wollen wir nicht ergänzen.“ Obwohl einige der interessierten Bürger, die sich an diesem Abend im Rathaus eingefunden hatten, auch neutral-technikzentrierte Fragen zur geplanten Windenergieanlage stellten, herrschte insgesamt Ablehnung. Befürchtungen über Vogelsterben, Zerstörung des Landschaftsbildes und Lärmbelästigungen sowie herunterstürzende Rotorenblätter bis hin zu Eiswurf versuchte Experte Robin Borgert von der Grevenbroicher Firma „Windtest“ zu zerstreuen: „Es ist noch nie jemand durch eine Windenergieanlage verletzt worden.“ Auch die Lärmbelastung halte sich in Grenzen: Bei starkem Wind sei die Anlage zwar bis zu einem Kilometer weit zu hören, sie sei aber auch nicht lauter als rauschende Bäume und Sträucher.

„Machen Sie sich selbst ein Bild, fahren Sie in vorhandene Windparks“, appellierte Borgert an die skeptischen Bürger. Auf die von Beifall begleitete Forderung aus dem Publikum, er solle doch einen Bus chartern und die Leute auf seine Kosten dort hinfahren, meinte Schmidt: „Ich kann natürlich nicht ganz Köln da hin kutschieren.“ Über die Möglichkeit einer Ortsbesichtigung denke er jedoch gemeinsam mit der Firma Enercon nach, beteuerte er.

Doch einige Anwohner aus dem Umkreis des geplanten E-112-Standorts blieben argwöhnisch. „Wir sind mit den Werken von Bayer und BP, dem Fluglärm und der Autobahn schon genug belastet“, rief eine Bürgerin. Angesichts der „Stilisierung der Windenergieanlage zu etwas, das das Fass zum Überlaufen bringt“, bat Borgert darum, die „Emotionalisierung zurückzuschrauben“. Sein enttäuschtes Fazit: „Autofahren wollen wir alle, aber keiner will eine Tankstelle bei sich stehen haben.“ Brust ergänzte: „Natürlich ist es höchste Priorität, Strom zu sparen. Aber die Realität ist, dass der Stromverbrauch steigt und wir Alternativen zu fossilen Energien nutzen müssen.“

Details über die Anlage „Enercon E-112“ hat Jürgen Schmidt in einem sechsseitigen Infoblatt zusammengefasst. Interessierte Bürger können es als pdf-Datei über Email bei der Fraktion der Kölner Grünen anfordern. gruene-fraktion@stadt-koeln.de