Kölner Justiz stellt sich in ihrer Rolle im Dritten Reich

Eine Ausstellung im Verwaltungsgericht am Appellhofplatz erinnert an die Verfolgung jüdischer Juristen. Sie wird heute eröffnet, der Anwaltsverein hat sie in Auftrag gegeben. Sie soll auch auf den aktuellen Antisemitismus hinweisen. Parallel dazu ist auch ein umfangreiches Buch erschienen

KÖLN taz ■ Es ist gerade mal gut 70 Jahre her, dass Juden in Köln verfolgt wurden. Viele Kölner versuchen gerne, diese Tatsache mit dem Hinweis auf ihre liberale und lockere Grundhaltung zu verdrängen. In einer Aufsehen erregenden Ausstellung wird ab heute im Kölner Verwaltungsgericht gezeigt, welche erschreckenden Auswüchse die Juden-Verfolgung im Bereich der Justiz hatte.

Ein besonderes Datum war dabei der 31. März 1933. An diesem Tag drangen bewaffnete SS-Leute in das Justizgebäude am Reichensperger Platz ein, in dem auch das Amts- und Landgericht waren. „Alle jüdischen Juristen, denen man habhaft werden könnte, wurden auf einen offenen Wagen, wie sie damals für den Transport von Mülltonnen verwendet wurden, gedrängt und unter dem Gespött der Menge zum Polizeipräsidium gefahren“, schreibt der Geschichts-Professor Klaus Luig in seinem Buch „...weil er nicht arischer Abstammung ist“ (Verlag Dr. Otto Schmidt, Köln).

Das Werk ist der Begleitband zur gleichnamigen Ausstellung, die vom Kölner Anwaltverein ins Auftrag gegeben wurde. Neben der Schau „Anwalt ohne Recht“, die bundesweites Unrecht gegenüber Anwälten veranschaulicht, hat die Kölner Ergänzung einen besonderen Schwerpunkt: Sie zeichnet anhand einzelner Schicksale die Situation verfolgter Anwälte, Richter und Justizangestellter nach.

So ist der Fall eines Bonner Anwalts illustriert, der sich im Namen eines Mandanten bei der Polizei beschwert hatte. „Ihm wurden die Hosenbeine abgeschnitten, und so in langen Unterhosen lächerlich gemacht, barfuß, zieht er mit einem Schild ,Ich werde mich nie wieder bei der Polizei beschweren‘ durch die Straßen Bonns, unter leider auch Anteilnahme der Bevölkerung“, berichtet die heutige Vize-Präsidentin des Kölner Oberlandesgerichts, Margarete von Schwerin: „Das ist einfach erschütternd und man kann sich heute kaum noch vorstellen, dass es wirklich passiert ist.“

Die Zahl der jüdischen Juristen in Köln ist nach der Machtergreifung der Nazis von 81 auf nur noch vier gesunken. Öffentliche Boykottaufrufe, Schmähungen, Festnahmen und Verschleppungen waren an der Tagesordnung. „Dem äußeren Anschein nach ist man dabei sogar Recht und Gesetz gefolgt“, fasst von Schwerin ihre Bedrückung zusammen: „Nur wer daran aufrichtig erinnert, kann für die Zukunft überzeugen, dass es so etwas nie wieder geben darf.“ Die Brutalität, mit der auch in Köln gegen jüdische Juristen vorgegangen wurde, bedürfe weiterhin der Aufarbeitung, betonte der Präsident des Kölner Verwaltungsgerichts, Joachim Arntz: „Dann wird einem bewusst, welches unglaubliche Unrecht diesen Menschen damals widerfahren ist.“ Deshalb haben Juristen von Gerichten, Staatsanwaltschaften und Verbänden aus dem Rheinland ein gemeinsames Kuratorium ins Leben gerufen, das die Vergangenheit in der Region aufarbeiten soll. Daraus könne viel für die Zukunft gelernt werden, sagte Peter Thümmel von der Kölner Rechtanwaltskammer. Denn Antisemitismus habe auch heute noch vielerorts eine „zu beklagende Entwicklung“.

Die Ausstellung wird am heutigen Montag unter anderem von Oberbürgermeister Fritz Schramma, NRW-Justizminister Wolfgang Gerhards und dem Präsident der Bundes-Rechtsanwaltskammer Bernhard Dombek eröffnet. Grußworte werden auch von Michael Radio von der Kölner Synagogen-Gemeinde und vom Bitschaftssekretär Israels, Joel Lion erwartet. Frank Überall