Der Vize holt sich den Pott

Flensburg bleibt DHB-Pokalsieger. Finalgegner Hamburg plagen Zukunftsängste

HAMBURG taz ■ Wie sehr die Angst vor dem Versagen auf ihnen gelastet hatte, wurde noch einmal ersichtlich, als der Titel gewonnen war: Da tanzten und hüpften und sangen die Handballer der SG Flensburg-Handewitt – und niemand im weiten Rund der Color-Line-Arena zu Hamburg hätte sie davon abbringen können, um nichts in der Welt. Mit 29:23 hatten sie das Finale um den DHB-Pokal gewonnen gegen den gastgebenden HSV Hamburg – und egal wie diese Saison nun noch weitergehen mag, eine so ganz schlechte kann es nicht mehr werden. Eine Woche nach dem verlorenen Champions-League-Finale sicherte sich die SG mit dem DHB-Pokal den ersten von ursprünglich drei möglichen Titeln – und dass dies dem Bundesligatabellenführer auch für die Meisterschaft jede Menge Mut machen wird, steht außer Frage. Das Double und somit der Meistertitel soll bald schon folgen; dass die Flensburger diesen noch vermasseln könnten, steht nach dem Final-Four-Wochenende (im Halbfinale hatte die SG auch den THW Kiel 33:31 geschlagen) nicht zu befürchten. Diese Saison, so die Botschaft von Hamburg, werden sie kaum als ewiger Vize beenden – und somit als erster Verlierer.

Wobei auch das Pokalfinale nicht wirklich einen Verlierer gesehen hatte. Für den HSV war nämlich schon die bloße Finalteilnahme der größte Erfolg in der noch jungen Vereinsgeschichte – und deutlicher Hinweis, dass der Klub zumindest sportlich in der stärksten Liga der Welt angekommen ist. An den wirtschaftlichen Sorgen und Nöten ändert dies freilich wenig bis gar nichts – und ausgerechnet vor dem Final Four waren noch neue Gerüchte und Spekulationen hinzugekommen. Gehälter an die Spieler seien nicht pünktlich überwiesen worden, ebenso die Miete für die Arena, von rund 180.000 Euro ist die Rede. Mehr noch sogar: Der „Sportinformationsdienst“ (sid) wusste zu berichten, „dass das Projekt Handball in Hamburg“ auf „tönernen Füßen“ stehe.

Dabei schien alles von langer Hand vorbereitet und wohl geplant zu sein, als der für einige Skandälchen immer gute VfL Bad Schwartau vor über zwei Jahren nach Hamburg umsiedelte, um dort die Kunst des Geldverdienens zu lernen. Man erkaufte sich das bereits etablierte Logo des größten Fußballvereins am Ort – und malte sich als HSV Hamburg die Zukunft schön. Dem im Hintergrund agierenden Geschäftsführer Winfried M. Klimek blitzten jedenfalls schon die Pokale in den Augen, die demnächst nicht mehr im provinziellen Schleswig-Holstein, also in Kiel oder Flensburg, zu begutachten sein sollten, sondern in der Alstermetropole. Jener Stadt also, die eine Halle mit Platz für 12.000 Fans zu bieten hat – und damit die nördlichen Marktführer in Sachen Zuschauerkapazität um gut 2.000 Plätze übertrifft. Flugs wurden Marktanalysen erstellt, die dem Projekt 7.600 Zuschauer im Schnitt versprachen – und so wurde der Etat, im steten Glauben an das Gute, für die laufende Saison auf 4,5 Millionen Euro geschraubt.

Leider wollten die Zuschauer nicht so wie die Marktforscher – und versagten dem Projekt die vorausgesagte Zuneigung. Mal kamen 3.000 Zuschauer, mal 5.000. Als man merkte, dass der Etat damit vorne und hinten nicht zu finanzieren sein würde, begab sich sogar HSV-Trainer Bob Hanning auf Sponsorensuche.

Vertrieben werden konnten die Schwierigkeiten damit freilich nicht. Trotz langsam steigender Publikumszahlen drücken den Verein Altlasten in siebenstelliger Höhe. „Es sind Korrekturen in der Planung erforderlich“, bestätigte nun selbst HSV-Geschäftsführer Winfried M. Klimek. In der kommende Woche will er in einer Pressekonferenz „alles aufklären“, schon um das Lizenzierungsverfahren nicht zu gefährden. Klimek: „Uns hat man schon seit vielen Jahren tot gesagt. Wir haben eine Lizenz für das nächste Jahr beantragt und unsere Unterlagen eingereicht.“ Was laut „sid“ nichts an dem umherwabernden Gerücht ändert, dass der HSV-Geschäftsführer inzwischen versucht haben soll, „seine Hamburger Lizenz nach München oder Berlin weiter zu verkaufen, um die Altschulden abzulösen“.

Wie auch immer: Inzwischen hat sich selbst bei HSV-Berater Dierk Schmäschke Ungewissheit eingestellt, ob das Experiment HSV aufgeht. „Die Zukunft ist noch nicht gesichert“, sagt Schmäschke jedenfalls. Dabei hat die Handball-Bundesliga (HBL) keineswegs Interesse daran, dem HSV die Lizenz zu entziehen. „Das würde den Handball um Jahre zurückwerfen“, sagt HBL-Geschäftsführer Frank Bohmann. OKE GÖTTLICH