Tocotronic für Arme

Nicht wirklich schlecht, einfach da: Sportfreunde Stiller aus München bespielen mit ihrer Mischung aus universeller Ansprache, eingängigen Songs und Fußballfantum mittlerweile die größeren Hallen

VON THOMAS WINKLER

Man kann allerlei Unfreundliches sagen über die Sportfreunde Stiller. Aber eins muss zugegeben werden: Eingängig ist das. Die wissen, wie man einen Song schreibt, spielt und singt, den der Zuhörer ums Verrecken nicht mehr aus dem Kopf bekommt. Auch auf „Burli“, ihrem neuen Album, funktioniert das wieder prächtig. Nur: Ist das auch eine Qualität? Will man das? Soll man das einfach mal so gut finden?

Man kann sich zumindest Mühe geben. Es ist gar nicht so schwer. „Siehst du das genauso?“ jedenfalls, die erste Single, fügt sich einerseits ganz unverdächtig ins Formatradio, aber spricht den Zuhörer so geschickt an, dass der aufmerken muss. Ob er es dann genauso sieht, ob er findet, dass wir „viel mehr aufeinander schauen“ sollten, ob auch er meint, „die kleinen Dinge machen es schön“, ist dann wohl gar nicht mehr so wichtig. Entscheidend ist, dass die Band aus dem Radio das Band geknüpft hat zum einzelnen Konsumenten.

Zugegeben, es ist ein simpler Trick. Aber ein Trick, der so erfolgreich seinen Dienst tut, dass die drei Sportfreunde, von denen sich zwei Drittel in der Fußballabteilung des SV Germering unter einem Übungsleiter mit dem Namen Stiller kennen lernten, mittlerweile mehrere tausend Menschen zu ihren Auftritten ziehen und ausreichend Platten verkaufen. Die Spitze der deutschen Albumcharts verfehlte „Burli“ zwar, aber nur knapp. Die Ärzte oder Herbert Grönemeyer müssen sich noch nicht warm anziehen, aber auch an der Spitze der zweiten Liga wird mitunter ganz erfolgreich gekickt.

Ohne Fußballanspielungen geht’s nicht bei den Sportfreunden Stiller. „Burli“ wird eröffnet mit „Lauth anhören“, einem Song, der ganz und gar nichts mit Benjamin Lauth, Nationalspieler des TSV 1860 München, zu tun hat, aber dafür mal wieder das Publikum direkt anspricht: „Das geht raus an euch!“ Aber wer jetzt denkt, für die Sportfreunde wäre der Volkssport Fußball vor allem Teil ihres populistischen Ansatzes, liegt falsch. Nein, die drei sind einfach Fußballfans, vor allem Gitarrist Peter Burger (Bayern) und Schlagzeuger Florian Weber (1860). Bassist Rüdiger Linhof erklärt sich zum Thema als „nicht sonderlich kompetenter Gesprächspartner“, nur um seine Band kurz darauf als „kleinen Dorfverein“ einzuschätzen, der sich mitunter ins große Olympiastadion verirrt. Burger erzählt derweil begeistert, wie er bis in die Bayern-Umkleidekabine gelangte, um dort finster von Oliver Kahn angestarrt zu werden. Ziel der Aktion: Stürmer Roque Santa Cruz „Ich, Roque“ aufs Band sprechen zu lassen, was sich auf Platte dann anhört wie „Ich rocke“.

Es gibt genug Menschen, die das lustig finden. Man muss nur ein bisschen wollen. Die Hamburger Schule, mit deren Tocotronic die Sportfreunde Stiller in ihren Anfangstagen ständig verglichen wurden, war der Masse der Menschen schlussendlich zu verkopft. Der Erfolg der drei Münchner Freunde und wohl auch ihr unverkrampfter Umgang mit der deutschen Sprache sind ohne die Hamburger Errungenschaften zwar nicht denkbar, eine Überintellektualisierung ist von ihnen allerdings garantiert nicht zu befürchten. „Alles, was ich will, ist nichts mit euch zu tun haben“, hieß es noch bei Tocotronic. „Du musst es laut rausschrein/ Und lässt sie damit nicht allein“, kontern die Sportfreunde auf „Burli“, als hätten sie den Ansatz der Hamburger Schule bewusst demokratisiert.

Haben sie natürlich nicht. Dazu sind sie schlussendlich zu einfach gestrickt. „Das ist halt unsere Art, Texte zu schreiben“, sagt Burger, „wir versuchen, möglichst konkret das auszudrücken, was wir sagen wollen.“ Linhof nennt das eine „andere Herangehensweise“. Die ist nett, tut niemandem weh, aber ist halt auch ein bisschen simpel. Aber eben auch verdammt eingängig. Tatsächlich kann man das ja ausnahmsweise einfach mal so gut finden. Und mitsingen. Fühlt sich nicht zu schlecht an.

Sportfreunde Stiller: „Burli“ (Blickpunkt Pop/Motor/Universal). Auf Tour: heute in Karlsruhe, 4. 5. Köln, 5. 5. Münster, 7. 5. Saarbrücken, 8. 5. Darmstadt, 9. 5. Wiesbaden, 11. 5. Bielefeld, 12. 5. Kiel, 14. 5. Wilhelmshaven, 15. 5. Hamburg, 16. 5. Hannover, 18. 5. Erfurt, 19. 5. Braunschweig, 20. 5. Berlin, 22. 5. Chemnitz, 23. 5. Dresden, 25. 5. Leipzig, 26. 5. München