Gute Nacht, Gewerkschaften

betr.: „Neue politische Relevanz“ von J. Legrand, taz vom 27. 4. 04

So richtig Legrands Analysen sind, dass eine soziale Bewegung überzeugende Botschaften, politische Alternativen und gesellschaftliche Visionen braucht, um große politische Veränderungen und breiten gesellschaftlichen Wandel zu erreichen, so falsch sind seine Vorstellungen, wie die Gewerkschaften aus der Glaubwürdigkeitskrise kommen.

Seine Suche nach Unterstützung in der „gesellschaftlichen Mitte“ für „populäre Kernbotschaften, die diese Alternativen kommunikationsfähig machen“, ist typisch für IG-Metall-Funktionäre. Wenn sich die Kernbotschaften in den offenen Themen „Bildung für alle, gerechtes Steuersystem, Innovation für Wirtschaftswachstum und Familienpolitik“ erschöpfen, dann gute Nacht, Gewerkschaften. Wo sind Legrands eingangs beschworene gesellschaftliche Visionen? Solange bei den Gewerkschaften die Konkurrenz- und Standortlogik das Sagen hat und damit ständig Lohn- und Arbeitsbedingungen verschlechtert werden, so lange wird es mit ihnen bergab gehen!

Politik wie Gewerkschaften müssen sich aus dem Würgegriff erpresserischer Kapitalgesellschaften und monopolistischer Unternehmungen lösen. Nur auf dieser Basis lassen sich Visionen entwickeln. Hier sollte sich der IG-Metall-Vorstand endlich auf die Aufgaben und Ziele seiner Satzung besinnen: Überführung von Schlüsselindustrien und anderen markt- und wirtschaftsbeherrschenden Unternehmungen in Gemeineigentum! KLAUS BERGERBetriebsrat DaimlerChrysler, Werk KasselGruppe Alternative Metaller

Am 3. April sind die Gewerkschaften endlich mal über ihren Schatten gesprungen und haben sich der Sozialabbaukritik öffentlich angeschlossen. Herr Legrand vermisst das konstruktive Element der Sozialabbaugegner. Meiner Meinung nach könnte es heißen: „Heranziehung der Aktiengewinne zur Finanzierung der sozialen Systeme, die allein zu finanzieren die Arbeitnehmer überfordert sind.“ Das wäre ein Konzept. Allerdings widerspräche es der üblichen Umverteilung von unten nach oben. HANS-J. SITTEK, Rheinberg