Alles Sache der Einstellung

Sie gehören zur Elite: Deutschlands Journalistenschüler. Aber die Plätze auf der Sonnenseite werden schattig. Eine Eins-a-Ausbildung garantiert keinen Eins-a-Arbeitsplatz. Doch auch B-Arbeitsplätze sind rar

von ANDREA BRÄU

Die Hoffnung stirbt zuletzt. Keine Phrase ist abgedroschener als diese; jeder Journalistenschüler würde normalerweise begeistert den Rotstift ergreifen und das Klischee ausmerzen. Aber Vorsicht ist eingezogen in die Journalistenschulen: War bis vor wenigen Jahren ein Platz beispielsweise an der Deutschen Journalistenschule (DJS) in München eine gute Eintrittskarte in Deutschlands Redaktionen, so bangt jetzt auch die Nachwuchs-Elite um ihre Zukunft.

„Von 15 Absolventen im Frühjahr 2002 haben neun eine Festanstellung gefunden oder arbeiten als feste Freie“, sagt Ulrich Brenner, Leiter der DJS. Der Rest bemühe sich um freie Mitarbeiten. Dieses Jahr werden wohl noch weniger ehemalige DJS-Schüler nach ihrem Abschluss auf einen festen Platz hoffen können. Anbieten, anbiedern, abgelehnt werden: Die Medienkrise macht auch vor ihnen nicht Halt. Eine davon ist Eva Dorothée Schmid. Sie gehört zu denen, die nach 16 Monaten Theorie und Praxis bestens ausgestattet wären für einen Arbeitsmarkt – dem es aber aufgrund ausbleibender Anzeigeneinnahmen und der insgesamt schlechten Wirtschaftslage so schlecht geht wie nie zuvor. Dessen ist sich auch die 25-Jährige bewusst. „Vermutlich werde ich nicht sofort einen festen Job als Journalistin finden. Aber lieber frei arbeiten, als PR machen zu müssen.“

Keine Perspektive

Dann doch noch lieber Kundenzeitschriften. Weil die Vorbereitung auf einen völlig überlaufenen Markt wenig bringt, versucht die DJS, ihren Nachwuchs auf journalistische Nebenpfade zu führen. Eine für manche eher fade Alternative, aber mehr zu wollen, ist nicht erlaubt in einer Zeit, „in der jeder auf seinem Job sitzen bleibt und es keine Neugründungen gibt.“ (Brenner). Ähnlich gräulich dürften die Chancen für Absolventen anderer Journalistenschulen aussehen. Zwar verkündete Peter Kloeppel, RTL-Anchorman und Direktor der RTL-Journalistenschule im März, sämtliche 30 Schüler des ersten Jahrgangs seien bei TV-Sendern, Verlagen und TV-Produktionen untergekommen, allein zwölf davon bei RTL. Von den 30 Absolventen würden ein Drittel frei arbeiten, die anderen als „feste Freie“ mit befristeter Festanstellung, sagt Leonhard Ottinger. Er ist Geschäftsführer der RTL-Journalistenschule, die sich vor allem auf Fernsehjournalismus konzentriert, und überzeugt: „Unbefristete Verträge gibt es so gut wie gar nicht mehr.“

Die Medienbranche steckt in der Krise. Das schlägt sich auch in den Ausbildungsmöglichkeiten nieder: So nehmen die Journalistenschulen des Axel Springer Verlags in Berlin und Hamburg statt 45 mittlerweile nur noch 30 Kandidaten auf. Die heißen seit einem Jahr auch nicht mehr „Volontäre“, sondern „Schüler“ und werden deshalb nicht mehr nach Volontärstarif bezahlt: Jetzt gibt es nur noch 1.200 Euro – mehrere hundert Euro unter dem Tarifgehalt. Aber wer stellt noch Ansprüche, wenn es um den Traumjob geht? Immerhin, 75 Prozent der Absolventen des Krisenjahrgangs 2002 seien fest bei Springer-Publikationen untergekommen, weitere 20 Prozent bei Tochter- oder „befreundeten Unternehmen“, so Schulleiter Knut Teske. Macht eine Erfolgsquote von 95 Prozent: „Man braucht die Leute nicht hervorragend auszubilden, um sie anschließend auf die Straße zu setzen.“ Die Electronic Media School (EMS) in Babelsberg, gegründet 2001, wird dagegen erst im September 2003 wissen, ob ihre trimediale Ausbildung (Online, Radio, Fernsehen) der angespannten Lage auf dem Medienmarkt gerecht wird. Aber Bangemachen gilt nicht, jedenfalls nicht in Babelsberg. Michael Neugebauer ist Ausbildungsleiter an der EMS und versichert: „Wir werden im Herbst unsere Kapazität von zwölf auf 16 Plätze erhöhen.“

Zum ersten Babelsberger Dutzend gehört Hanno Christ. Er schwärmt von der guten Betreuung, dem inhaltlichen und technischen Angebot an der EMS und baut darauf, „dass uns die Schule nicht hängen lässt.“ Im Klartext, dass die Schulleitung den Volontären nicht nur während der Ausbildung Praktikumsplätze vermittelt, sondern ihnen auch danach bei der Jobsuche behilflich sein wird. „Aber letztendlich muss ich mich selbst kümmern. Und da wird einem schon bange bei der jetzigen Jobsituation“, sagt Hanno. Nur, was tun? Denn selbst bei denen, die neue Zeitungen gegründet haben, ist längst nichts mehr zu holen: „Einstellungen sind zur Zeit überhaupt kein Thema“, sagt Torsten Schmees, Personalchef der Frankfurter Allgemeinen Zeitung.

Keine Übernahme

Nicht überall sind die Übernahmequoten so hoch wie beim Axel Springer Verlag. Beispiel Burda: „Zwar bleibe die große Mehrheit der Volontäre des Burda Verlages dem Haus nach der Ausbildung erhalten – einige verändern sich nach der Ausbildung aber in andere Häuser“, sagt Antje Kückemanns. Sie ist Projektleiterin an den verlagseigenen Journalistenschulen in München und Offenburg, wo pro Jahr insgesamt rund 30 Volontäre ausgebildet werden.

„Wir können leider nicht alle übernehmen, aber das wissen unsere Volontäre von Anfang an“, so Kückemanns. Und das, obwohl Burda einer der wenigen Konzerne ist, die im vergangenen Jahr ihren Umsatz um ein Prozent steigern konnten. Immerhin: Es gebe keine Pläne, die Zahl der Plätze zu reduzieren. Außerdem hatte Burda bereits 2001 als Reaktion auf das kontinuierlich steigende Geschäft mit der Schule in Offenburg eine zweite Ausbildungsmöglichkeit gegründet; bis dahin wurden ausschließlich in München jährlich 15 Volontäre angenommen.

Auch die RTL-Journalistenschule sieht keinen „Stellenabbau“ vor. Der nächste Jahrgang wird ohnehin erst Anfang 2005 auf den Arbeitsmarkt entlassen. Geschäftsführer Ottinger wagt als Einziger eine vorsichtige Prognose, zumindest für den Fernsehmarkt: Bis dahin habe sich die Problematik mit „der großen Unbekannten“, nämlich der insolventen KirchMedia, gelöst. Vielleicht sei 2004/2005 die Talfahrt der Medien zu Ende. Eine leise Hoffnung.