Stimmung heben, Geld ausgeben

Um die private Nachfrage anzukurbeln, will die rot-grüne Bundesregierung weniger das Sparen als vielmehr das Investieren betonen. 1,5 Milliarden für die Betreuung von Kleinkindern sollen fließen, auch wenn die Verschuldung erhöht werden müsste

AUS BERLIN HANNES KOCH

Die rot-grüne Bundesregierung stellt sich darauf ein, mehr Kredite im Bundeshaushalt aufzunehmen, als bisher geplant. Man müsse „alles Mögliche dafür tun, um die sichtbare Erholung der Wirtschaft weiter zu unterstützen“, sagte gestern SPD-Fraktionsvize Joachim Poss. Außenminister Joschka Fischer (Grüne) wies darauf hin, dass „die konjunkturelle Erholung für einen begrenzten Zeitraum Priorität haben muss“. Fischer sagte: „Nur Sparen, Streichen, Kürzen bringt uns nicht das notwendige Wachstum.“

Am Wochenende bestätigte ein Regierungssprecher, dass in der vergangenen Woche ein Treffen unter anderem mit Bundeskanzler Gerhard Schröder, Bundesfinanzminister Hans Eichel (beide SPD) und Joschka Fischer stattgefunden habe. Dabei hat die Regierung offenbar eine politische Offensive vereinbart, um aus den finanziellen Problemen das Beste zu machen. Unter den Stichworten „Bildung und Innovation“ sollen verschiedene Maßnahmen öffentlich präsentiert werden – ein Versuch, die Stimmung der Bundesbürger zu verbessern. Das Paket soll unter anderem am 11. Mai bei einer Veranstaltung der SPD-Bundestagsfraktion als „Innovationsoffensive“ vorgestellt werden.

Neue Vorhaben der Regierung sind dabei bisher nicht bekannt. Es geht eher darum, dass bereits existierende Projekte auch dann durchgeführt werden, wenn eigentlich kein Geld da ist. Christine Scheel, grüne Sprecherin des Finanzausschusses im Bundestag, verwies gestern besonders auf 1,5 Milliarden Euro, mit denen der Bund die Betreuung von Kindern unter drei Jahren in kommunalen Kindergärten fördern will. „Das ist politisch wichtig“, so Scheel gegenüber der taz. Gut ausgebildeten Frauen mit Kleinkindern soll der Rahmen zur Verfügung gestellt werden, damit sie ihren Beruf ausüben können. Bisher hat die intern als „U3“ gehandelte Geldspritze nur den Status einer „Idee“, wie Scheel erklärt. Offenbar soll sie auch dann umgesetzt werden, wenn die Gegenfinanzierung – Einsparungen aus der Zusammenlegung von Arbeitslosen- und Sozialhilfe – nicht klappt.

Die Äußerungen markieren eine Akzentverschiebung in der Finanzpolitik. Das Dogma des Sparens wird mittlerweile weniger wichtig genommen, das Austeilen staatlicher Investitionen, die die Konjunktur fördern sollen, gewinnt zunehmend Anhänger. Der Wandel stellt sich verstärkt gerade jetzt ein, weil die Bundesregierung Ende vergangener Woche ihre Prognose für das Wachstum in 2004 auf 1,5 Prozent reduzieren musste und gleichzeitig die Steuereinnahmen unter den Planungen bleiben. „Es schwierig, die Verschuldung bei den geplanten knapp 29 Milliarden zu halten, wenn man das Wachstum nach unten korrigieren muss“, sagt ein Insider aus dem Finanzministerium. Das Innovations- und Bildungspaket soll auch bewirken, die Stimmung der Bevölkerung zu verbessern und damit die Ausgaben für Konsum zu steigern. Wirtschaftsforscher machen gerade die mangelnde Nachfrage der privaten Haushalte für die anhaltende Beinahe-Stagnation der deutsche Wirtschaft verantwortlich. Führende Koalitionspolitiker traten gestern jedoch dem Eindruck entgegen, es handele sich um einen grundsätzlichen Kurswechsel der Finanzpolitik. Das zu schlussfolgern sei „Quatsch“, sagte SPD-Fraktionsvize Joachim Poss der taz. Der Konsolidierungskurs werde nur „gestreckt“, so Poss.