Geheime Spender müssen zittern

Nach zwei Jahren wird das Informationsfreiheitsgesetz in Nordrhein-Westfalen nur zögerlich angenommen. Eine Tagung der Grünen zeigte jedoch den praktischen Nutzen: Bürger können Geldverschwendung selbst recherchieren

DÜSSELDORF taz ■ Auch nach sechs Jahren rot-grüner Ankündigungen gibt es im Bund immer noch kein Gesetz über die Informationsfreiheit. Mittlerweile jedoch haben vier Bundesländer eigene Gesetze geschaffen: Nordrhein-Westfalen, Brandenburg, Berlin und Schleswig-Holstein. In NRW zogen die Grünen jetzt auf einer Fachtagung Bilanz.

Seit Januar 2002 können die Bürger an Rhein, Ruhr und Lippe Einsicht in Behördenakten aller Art verlangen. Persönliche Betroffenheit müssen sie nicht vorweisen. Die Regelung soll demokratische Mitwirkung und Verwaltungskontrolle verbessern.

Der erste Erfolg, den die Grünen verbuchten, ist allerdings zwiespältig. „Die Horrorszenarien der kommunalen Spitzenverbände sind nicht eingetreten“, betonte Landtagsabgeordnete Monika Düker, „die Kommunen sind nicht durch eine Anfrageflut querulatorischer Bürger lahm gelegt worden.“ Im Gegenteil: Die Bevölkerung hat von dem neuen Recht äußerst zaghaft Gebrauch gemacht. Im ersten Jahr gab es nur 1.152 Anfragen bei Landesbehörden und Kommunen. Düker hofft auf einen Mentalitätswandel der Bürger, für die eine transparente Verwaltung wohl „gewöhnungsbedürftig“ sei.

Ein Großteil der Anfragen bezog sich auf Bergwerksplanungen und sonstige Bauvorhaben. Außerdem wollten Bürger oft wissen, wie Müllgebühren oder die Kosten einer Straßenerschließung berechnet wurden. Ein Apotheker brauchte Informationen, um gegen seine Kommune zu klagen, nachdem Bauarbeiten vor seinem Geschäft die Umsätze reduzierten.

Viele der Anfragen verfolgten auch öffentliche oder politische Interessen. Eine Beratungsstelle in Wuppertal besorgte sich die Verwaltungsvorschriften über die Gewährung von Sozialhilfe. Eine Bürgerinitiative am Niederrhein deckte nach eigenen Angaben die Verschwendung von Mitteln durch einen Deichverband in Höhe von 350.000 Euro auf. Und Tierschützer fragten vielerorts, wie oft die Genehmigung zum betäubungslosen Schlachten erteilt wurde.

Wie im Vorfeld erwartet, versuchte auch Scientology das Gesetz zu nutzen. Flächendeckend erkundigte sich die skurrile Religionsgemeinschaft, welche Informationen die Behörden über Sekten und Psychogruppen sammeln. Die Anfragen wurden fast durchweg als „nicht hinreichend bestimmt“ abgelehnt.

Insgesamt gaben die Behörden in 62 Prozent der Fälle die angeforderten Informationen heraus. Nur 58-mal verlangten sie dafür Gebühren. Vereinzelt wurden dabei jedoch Kopierkosten von 1,50 Euro pro Seite verlangt. Hier sind noch Prozesse vor den Verwaltungsgerichten anhängig, die Betroffenen halten solche Kosten bei umfangreichen Akten für „abschreckend“.

Großes Lob erhielt bei der Grünen-Tagung die nordrhein-westfälische Datenschutzbeauftragte Bettina Sokol. Sie agiert zugleich auch als Landesbeauftragte für die Informationsfreiheit. Ohne ihre Beratung – auch bei Prozessen gegen Behörden – wären viele Bürger nicht zu ihrem Recht gekommen.

Ein besonders pittoresker Streit schwelt in Dormagen. Dort ließ sich vor zwei Jahren der CDU-Bürgermeister Reinhard Hauschild von örtlichen Geschäftsleuten eine Amtskette finanzieren. Als er nicht sagen wollte, von wem die Spenden kamen, berief sich der Architekt Franz Bauers auf das Informationsfreiheitsgesetz. „Ich wollte wissen, ob auch örtliche Entsorger zu den Spendern gehören, die später vielleicht auf Gegenleistungen hoffen.“ Bisher hat er die gewünschten Namen nicht erhalten. Auch hier muss letztlich ein Gericht entscheiden.

CHRISTIAN RATH