Der alte Ungeist von Abu Ghraib

Die Iraker sind über die Folterbilder empört – aber nicht alle stellen die Amerikaner gleich mit Saddam auf eine Stufe

BAGDAD taz ■ Die Veröffentlichung der schockierenden Fotos von amerikanischen Soldaten, die irakische Gefangene misshandelt und gefoltert haben, hat in der irakischen Hauptstadt widersprüchliche Reaktionen hervorgerufen. „Hier siehst du das wahre Gesicht der Besetzer“, sagte ein Straßenhändler in der Nähe des Al-Andalus-Platzes im Zentrum von Bagdad. „Sie behandeln uns wie den letzten Dreck.“ Besonders demütigend sei, dass unter den Tätern auch Frauen sind. Einige der Fotos zeigen Soldatinnen, die neben nackten Gefangenen in triumphierender Pose in die Kamera blicken. „Sie sind schlimmer als Saddam“, fuhr der Händler fort. „So hat nicht einmal Saddam die Gefangenen gefoltert.“

Das Mitglied des irakischen Regierungsrats Gasi al-Jawar, der in den letzten Wochen in Falludscha über eine friedliche Beilegung des Konflikts in der Hochburg sunnitischer Untergrundkämpfer verhandelte, verlangte eine offizielle Entschuldigung der Vereinigten Staaten beim irakischen Volk und den Gefangenen. Gemäß den Genfer Konventionen muss die Besatzungsmacht dafür sorgen, dass die Gefangenen keiner herabsetzenden und entwürdigenden Behandlung ausgesetzt werden.

Das im Westen von Bagdad gelegene Gefängnis wird seit dem letzten Sommer von den Amerikanern genutzt. Tausende Iraker, die bei Razzien der US-Truppen festgenommen wurden, werden hier gefangen gehalten. Oft werden sie über Monate inhaftiert, ohne dass Anklage erhoben wird. Bei einem Anschlag auf das Gefängnis sind im April 22 Häftlinge getötet worden, die in Zelten untergebracht waren.

Abu Ghraib ist im Irak ein Symbol für die Schrecken der Diktatur. In dem nach britischen Plänen gebauten und 1969 eröffneten Gefängnis wurden neben Kriminellen und Schwerverbrechern auch tausende politische Gefangene inhaftiert. Nach Schätzungen von irakischen Menschenrechtlern landeten zwischen 1979 und 2003 etwa 250.000 politische Aktivisten in Abu Ghraib.

Einer von ihnen war Sahib Schnawa al-Hassuna. Der überzeugte Kommunist saß von 1980 bis 1988 im gefürchteten Todestrakt. Im ersten Jahr seiner Haft wurde er beinahe täglich gefoltert. „Ich habe darum gefleht, dass endlich das Urteil verhängt wird, damit es ein Ende hat“, sagt der heute 51-Jährige. „Sie kamen immer morgens und riefen die Namen der Verurteilten auf, die dann am Abend hingerichtet wurden.“

Fünf Brüder seiner Frau und eine Schwägerin wurden damals in diesem Gefängnis hingerichtet. „Die Amerikaner haben einen schlimmen Rechtsbruch begangen“, sagt er. Aber den Vergleich mit Saddam findet er unpassend. „Wir haben in Abu Ghraib täglich dem Tod ins Auge geblickt“, sagt er. „Das darf die Welt nicht vergessen.“ INGA ROGG