Museum koppelt sich ab

Im Bochumer Eisenbahn-Museum sieht es gar nicht gut aus: Fahrzeuge verrotten, ein Gutachten attestiert dem Haus erhebliche Defizite und der alte Chef schied offenbar im Streit

VON BORIS R. ROSENKRANZ

Anfang des Jahres räumte Wolfram Bäumer nach nur sieben Monaten seinen Chef-Sessel im Bochumer Eisenbahn-Museum. Es mangele ihm an Zeit, heißt es. Doch nun verdichten sich die Anzeichen, dass nicht bloß Zeitmangel, sondern vielmehr „Differenzen“ zwischen Leitung und Mitarbeitern der Grund für Bäumers Ausstieg waren. Ersetzt wurde der ehemalige Chef durch den langjährigen Museums-Mitarbeiter Harald Reese, der seit Februar die mit über 200 Fahrzeugen größte private Sammlung Deutschlands verwaltet.

Über die Vorgänge, die zu seinem plötzlichen Aufstieg führten, will der neue Boss allerdings nichts in der Zeitung lesen. Er beruft sich lediglich auf den „offiziellen Tenor“, den auch die Pressestelle des Museums weiterhin predigt: Demnach habe Bäumer keine Zeit mehr, sein Amt als Leiter auszufüllen, weil er als Bahn-Sachverständiger zu sehr beschäftigt sei. Bäumer bestätigt dies der taz, betont aber auch, dass es seine Nerven nicht länger zugelassen hätten, weiter im Museum zu arbeiten. Dem Personal dort, rund 130 Ehrenamtlichen und einem Vollzeit-Beschäftigten, liege nicht viel am musealen Auftrag, die Exponate zu erhalten: „Die wollten lieber tagsüber mit den Fahrzeugen rumjuckeln und abends Bier trinken“, weiß der Ex-Chef. Seiner Idee von guter Museumsarbeit entsprach diese Haltung nicht.

Der 45-Jährige war ursprünglich angetreten, um das Museum in neue Bahnen zu lenken. Als Bäumer in Bochum anfing, hatte die Stadt gerade ein von ihr in Auftrag gegebenes Gutachten ausgewertet, das dem Museum etliche Defizite attestierte – zum Beispiel, wie unaufgeräumt das Ausstellungs-Gelände im Stadtteil Dahlhausen sei. „Es hat große Versäumnisse gegeben“, sagt Bäumer und spricht von einem „Sammelsurium an Fahrzeugen“, die sich zum Teil in einem miserablen Zustand befänden: „Fahrzeuge, die 1985 noch gut aussahen, aus denen wächst heute fast eine Birke heraus.“

Den Versäumnissen wollte und sollte der frühere Mitarbeiter der Deutschen Bahn AG entgegen wirken. Nachdem er seinen alten Job gekündigt hatte, plante er, die Ausstellung zu erweitern. Vor allem sollte die Historie der Eisenbahn im Ruhrgebiet mehr in den Fokus rücken, um das Museum mit anderen namhaften Häusern, wie beispielsweise dem Bochumer Bergbaumuseum, auf Augenhöhe zu hieven. S-Bahn-Wagen aus Berlin wären dann wohl endgültig abgekoppelt worden. Doch aus den Plänen wurde nichts. Zuerst habe er nur gewirtschaftet, sagt Bäumer, und „im August waren wir dann trotzdem pleite“. Daraufhin habe er die „Notbremse ziehen müssen – in jeder Beziehung“. Ein paar Monate später war er nicht mehr im Amt.

Der Geschäftsführer der Deutschen Gesellschaft für Eisenbahngeschichte (DGEG), Günter Krause, bestreitet, mit dem von seinem Verein betriebenen Museum jemals rote Zahlen geschrieben zu haben. „Wir sind gut dran“, erklärt Krause. Und zum Verfall der Fahrzeuge fällt dem Eisenbahner nur ein, es sei „der Zahn der Zeit“, der an den Exponaten nage. Auch Petra Müller-Tiggemann vom Planungsamt der Stadt gibt sich betont locker angesichts der schlechten Lage. Sicherlich gebe es eine „Latte an Dingen, die geändert werden müssen“, sagt die Stadtplanerin. Daher würden ja auch die Empfehlungen der Gutachter weiterhin umgesetzt. Und ein Anfang sei schließlich bereits gemacht: Unlängst wurde eine Halle geteert und der Kassenbereich umgestaltet – für den Übergang. Ein nagelneues Eingangshaus ist nämlich bereits in Planung. Bis alles fertig ist, bis also auch die Besucherzahl endlich die gewünschte Verdoppelung erfahren soll, werden laut Müller-Tiggemann noch fünf bis zehn Jahre vergehen – wenn das Museum bis dahin nicht in seine Einzelteile zerfallen ist.