„Du entscheidest wer reinkommt“

Die SPD lauscht Danziger Musik, die chancenlose CDU hat Spaß – und Grün ist die Hoffnung: So langsam kommt auch in Bremen der Europawahlkampf in die Gänge

Bremen taz ■ Bremens grüner Landesvorstandssprecher Dieter Mützelburg schlürfte seinen Kaffee gestern aus einer bemerkenswerten Tasse: „Bärenstarke Mädchen“ stand darauf geschrieben. Hoffnungsfroh blickte der Mann auf die neben ihm sitzende Helga Trüpel und verbreitete Optimismus. Die Bürgerschaftsvizepräsidentin und Kandidatin für die Europawahl am 13. Juni habe hervorragende Chancen, einen Sitz im nächsten Europäischen Parlament zu ergattern, freute sich Mützelburg. Aktuelle Umfragen sähen die Grünen bundesweit bei etwa zwölf Prozent – das würde für ein Bremer Mandat in Brüssel und Straßburg reichen.

Trüpels Multiplikatoren

Man wolle „keine große Materialschlacht machen und setze vielmehr auf ein Konzept der Multiplikatoren“, sagte Mützelburg. Nur 24.000 Euro werde der grüne Landesverband für den Wahlkampf ausgeben. Auch mit „Europa-Zweiflern“ wolle sie ins Gespräch kommen, so Kandidatin Trüpel. Sie hat eine sonntägliche Gesprächsreihe „Café Europa“ ins Leben gerufen, bei der mit geladenen Gästen Themen wie Wissenschaftsentwicklung und grenzüberschreitende Kulturpolitik erörtert werden. Auch grüne Promis wie die Spitzenkandidaten Rebecca Harms und Daniel Cohn-Bendit werden in Bremen erwartet – und vier Tage vor der Wahl wird Joschka Fischer über den Marktplatz gröhlen.

Jöns redet staatstragend

Während die Grünen als Wahlkampf-Giveaways unter anderem Kondom-Päckchen mit dem rasend coolen Aufdruck „Du entscheidest… wer reinkommt!“ verteilen, gibt sich die SPD überaus staatstragend. So tagte die Fraktion der Genossen gestern im frisch renovierten, jetzt lichtdurchfluteten Plenarsaal der Bürgerschaft und hatte dazu dreißig Gäste aus den neuen EU-Beitrittsländern eingeladen. Karin Jöns, die sich erneut um ein Mandat im Europäischen Parlament bewirbt, pries den Beitritt der zehn neuen Mitglieder mit viel Pathos als „historische Stunde“, in der „wir es geschafft haben, die Spaltung Europas endgültig zu überwinden“. Im Übrigen sollten doch auch die neuen EU-Bürger bitte „von ihrem Wahlrecht Gebrauch machen“.

Herr Jäger ist lustig

Keine Chance auf einen Einzug ins EU-Parlament hat der Bremer CDU-Spitzenkandidat Jörg Jäger. Gleichwohl hat der Mann eine professionelle, lustige Homepage eingerichtet (www.joergjaeger.de). Bei der Europawahl, so schreibt Jäger dort unverhohlen, gehe es vor allem darum, „dem rot-grünen Spuk in Berlin einen Denkzettel zu verpassen“. Darüber hinaus kann man sich von der Jäger-Homepage die Europa-Hymne herunterladen und darf sich über einen „nicht ganz ernst gemeinten Antwortversuch“ darauf beömmeln, was den CDU-Mann mit Europa verbindet. jox