Das Design des Krieges

Der Revolverheld in uns: Mit dem Handschuh und Stirnband „taking aim“ lassen sich Gesten der Gewalt ungefährlich kopieren. Dennoch ist es unheimlich, wenn Waffen zu schönen Waren werden wie in der Ausstellung „Big Boy’s Toys“

Akribisch hat Scener Vardarman 910 Militär- und Polizeiwaffen nach ihren Herkunftsländern geordnet, als hätte Carl von Linné den Stammbaum der Familie der Handfeuerwaffen aufgezeichnet: eine Kategorisierung, die den Handel mit diesen Produkten ungemein erleichtern könnte. Und tatsächlich, die meisten der abgebildeten Waffen sind übers Internet zu beziehen.

Gewalt, Waffen, Krieg – das ist das Thema einer Ausstellung, die derzeit in den Räumen der UdK am Einsteinufer zu sehen ist. Unter dem Titel „Big Boy’s Toys“ haben sich Produktdesignstudenten diesem Feld aus der Perspektive des Designs genähert. Klein sind die Abbildungen der Schusswaffen in Vardarmans Genealogie und mit Landesbezeichnung, Produktnamen und -nummer in senkrechten Reihen geordnet. Das ergibt ein hübsches Muster, eine Designtapete für das minimalistisch gestylte Wohnzimmer.

Der Ausstellungsraum selbst ist eingerichtet wie ein Kriegsschauplatz, doch weit davon entfernt, wie ein solcher zu wirken. In Anlehnung an einen Schützengraben sind zwei Reihen Sandsäcke aufgeschichtet, auf denen die Ausstellungsobjekte liegen. Der helle, schlichte Raum, die Säcke ohne jegliche Gebrauchsspuren schaffen die sterile Atmosphäre eines Verkaufsraumes. Die gezeigten „Big Boy’s Toys“ haben dann deutlich mehr mit Spielzeugen als mit Waffen zu tun.

Mal werden hier Alltagsgegenstände zu „Waffen“ geformt, mal „echte“ Waffen aus ihrem Kontext gerissen und entfunktionalisiert. Ungefährlich kann man sich hier die Pistole in den Mund führen, die man zuvor mit dem Waffeneisen, sprich Waffeleisen gebacken hat. Daneben liegt gleich eine Milchflasche, die jederzeit an der Sollbruchstelle halbiert werden kann und somit tödlich wird.

Ganz in Frieden essen – auch im Kriegsgebiet – kann man hingegen mit der Tarnjacke, die wie ein Picknickkorb, den man am Leibe trägt, funktioniert. In diversen Innen- und Außentaschen ist Platz für Besteck, Baguette, Pfeffer und Salz. Subtiler ist der Ansatz zu Doreen Webers weißen Porzellanvasen. Ausgangspunkt ihrer Idee ist eine Aufnahme der Nelkenrevolution 1974 in Portugal, als Demonstranten Nelken in die Gewehrläufe von Soldaten steckten. Weber hat drei verschiedene Gewehrläufe als Vorlage für ihre Vasen verwendet. Ein Ganzes, in seine Einzelteile zerlegt, verliert seinen Sinn: Die Waffe wird zur Vase, die nicht mehr tötet, sondern Leben (der Nelken) erhält.

Etwas unnötig ist ein DVD-Recherchekabinett, in dem sechs Filme bereitliegen. Die Auswahl beschränkt sich auf die üblichen Verdächtigen in Sachen Ästhetisierung von Gewalt und deren dokumentarische Widersachern: „Jackie Brown“, „Fulltime Killer“ und die Dokumentarfilme „Bowling for Columbine“ oder das James-Nachtwey-Porträt „War Photographer“.

Dennoch: Die Ausstellung überzeugt durch das Grundkonzept. In Zeiten, da physische Gewalt hinter medialer Inszenierung verborgen bleibt, die Mode aber mehr denn je auf der Suche nach neuen, authentischen Symbolen ist, kann man sich durchaus vorstellen, dass im kommenden Winter einige besonders schlaue Mitte-Hipster mit „taking aim“-Handschuhen herumlaufen, wie sie in der UdK gezeigt werden. Zeigefinger und Daumen sind hier dauerhaft als Pistole gerichtet. Dazu gibt es das Stirnband mit aufgesticktem Fadenkreuz – selbst anzulegen oder als Geschenk für einen guten Freund. ANDREA EDLINGER

Bis 13. Mai, Di.–Fr. 13–18 Uhr,designtransfer, UdK,Einsteinufer 43–53, 10587 Berlin